Kind (†4) als "Reinkarnation Hitlers" in Sack erstickt: War die Sektenführerin überhaupt schuldfähig?
Frankfurt am Main/Hanau - Knapp 35 Jahre nach dem Tod eines kleinen Jungen muss sich eine mutmaßliche Sektenführerin von Donnerstag (9.30 Uhr) an zum zweiten Mal wegen Mordes vor Gericht verantworten.
Nach einer ersten Verurteilung zu lebenslanger Haft in Hanau hatte der Bundesgerichtshof die Entscheidung kassiert - nun ist das Landgericht Frankfurt zuständig.
Eine Mutter soll ihren Sohn damals in die Obhut der Angeklagten gegeben haben. Die mutmaßliche Sekten-Chefin soll in dem Jungen eine "Reinkarnation Hitlers" und als "von den Dunklen besessen" angesehen haben.
Ihr wird vorgeworfen, das Kind an einem Augusttag 1988 in einen Sack gesteckt und sich selbst überlassen zu haben. Der Vierjährige soll an seinem Erbrochenen erstickt sein. Jahrzehntelang waren Polizei und Staatsanwaltschaft von einem Unfall ausgegangen, bis Sektenaussteiger 2015 ein neues Licht auf den Fall warfen.
Das Landgericht Hanau hatte die Frau bereits im Jahr 2020 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Dem BGH aber war die Urteilsbegründung zu oberflächlich, er hob die Entscheidung auf und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Frankfurter Schwurgerichtskammer.
Die Karlsruher Richter kritisierten insbesondere fehlende Ausführungen zum Tatvorsatz und zur Schuldfähigkeit. Es stehe nicht abschließend fest, was die Frau damals wirklich gedacht habe, als sie das Kind in den Beutel gesteckt habe.
Im zweiten Prozess wird das Frankfurter Landgericht deshalb ein besonderes Augenmerk auf die beiden Punkte haben. Dort hat man sich auf ein langes Verfahren eingerichtet. Die 23 Verhandlungstage reichen vorerst bis Mitte August.
Zwischenzeitlich wurde auch die Mutter des gestorbenen Kindes vor Gericht gestellt. Ihr Prozess endete im vergangenen Jahr mit Freispruch - der Bundesgerichtshof ist derzeit allerdings noch mit der Revision der Staatsanwaltschaft beschäftigt.
Titelfoto: Boris Rössler/dpa