Sie warf ihre Zwillingsbabys vom Balkon: Freispruch wegen Drogenwahn!
Dresden - Das Landgericht Dresden sprach Claudia L. (37) am heutigen Dienstag vom Vorwurf des versuchten Totschlages frei. Die Mutter hatte im Drogenwahn gehandelt, ist juristisch schuldunfähig. Aber sie wird in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
Es war ein grausames Bild, das sich im Juni 2022 den Einsatzkräften in Gorbitz bot. Im Gestrüpp hinterm Haus am Limbacher Weg lagen zwei schwer verletzte Kleinkinder (sieben Monate), daneben ihre Mutter.
Auch sie war aus dem ersten Stock über die Balkonbrüstung gesprungen, nachdem sie ihre Kinder zuvor hatte in die Tiefe fallen lassen. Der Schock bei den Helfern saß tief. Zahlreiche Polizisten und Sanitäter mussten nach dem Einsatz psychologisch betreut werden.
Die Söhne von Claudia erlitten lebensgefährliche Kopfverletzungen, mussten immer wieder operiert werden. Ein Junge wurde zusätzlich an Lunge und Leber verletzt. Sein Bruder an Lende und Brustwirbel. Sie werden ihr Leben lang an den Folgen leiden: "Schwierigkeiten beim Sitzen oder Stehen, bei Nahrungsaufnahme, beim Sprechen", so der Staatsanwalt in seiner Anklage.
Heute leben die Kinder bei Claudia L.s Schwester. Die drogenabhängige Mutter wurde nach dem Vorfall in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht und weinte zum Prozessauftakt. "Ich liebe meine Kinder über alles", ließ sie den Richter wissen.
Richter: "Das war eine Tragödie"
"Was ich meinen Kindern angetan habe, ich furchtbar." Sie habe nur lückenhafte Erinnerungen an den Tag. Sie war mit den Zwillingen allein in der Wohnung. Plötzlich habe sie Rauch wahrgenommen, kaum atmen können.
Weil der Hund bellte, glaubte sie, jemand würde vor der Tür stehen. "Ich nehme die Kinder, sehe die Balkontür, danach weiß ich nichts mehr", so die Angeklagte in ihrer Schilderung.
Der Gutachter stellte im Prozess eine völlige Schuldunfähigkeit fest. Drogen- und krankheitsbedingt hätte Claudia keinerlei Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gehabt. Folglich kann sie für ihre Tat nicht bestraft werden.
"Das war eine Tragödie", so der Richter über die Tat. Eine Tragödie in mehreren Akten sozusagen.
So war spätestens seit der Geburt der Zwillinge dem Jugendamt vom Krankenhaus mitgeteilt worden, dass Claudia (entgegen ihren Beteuerungen) weiterhin Drogen nahm, mithin die Suchterkrankung unbehandelt ist.
Drogen-Mutti führte Jugendamt an der Nase herum!
Überdies wurde bei der Kindesmutter eine Persönlichkeitsstörung (Borderline) attestiert. "Und man kann sich eben auf das Wort von Borderline-Erkrankten nicht so verlassen wie auf das anderer", so der Richter.
Doch das Jugendamt ließ sich von Claudia manipulieren: "Aus Respekt, dass sie explodiert, wurde auf alles von ihr eingegangen", so der Richter. Ihr wurde geglaubt, dass sie keine Drogen mehr nimmt und auf Drogentests verzichtet. Ihr wurde geglaubt, dass sie das Kontaktverbot zum drogensüchtigen Kindesvater einhält.
Der Richter: "Der Mann gab sich mit der Familienhelferin die Klinke in die Hand!" Eine Familienhelferin, die genauer hinsah, ließ Claudia mit dem Hinweis auf Vertrauensverlust austauschen! Kurz: Die drogenabhängige Mutter führte das Amt an der Nase herum.
Selbst der eigentlich vorgesehene tägliche Besuch der Familienhelferin "franste aus", am Ende wurde nur noch telefoniert.
"Eine Kindeswohlgefährdung wurde nie gesehen", so der Richter. "Dabei drehte sich bei der Angeklagten alles um den Kindesvater. Alles drehte sich um seine Liebe." Noch am Tattag bildete sich Claudia ein, ihr Lover würde sich in ihrer Wohnung verstecken. Der saß der nachweislich mal wieder hinter Gittern.
Die Kinder werden ihr Leben lang an den Folgen zu leiden haben, immer wieder neurologische Operationen über sich ergehen lassen müssen. Immerhin leben sie in der Familie. Der Richter: "Die Schwester hat die Kinder aufgenommen. Das ist extrem schwierig, ständig in Alarmbereitschaft zu sein. Aber es ist mehr, als was der Staat je leisten könnte."
Claudia L. wird nun untergebracht, soll therapiert werden. Ohne jede Behandlung, so der Gutachter, sind von ihr weitere Taten zu erwarten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Titelfoto: Ove Landgraf