Prozess um Juwelenklau: "Remmos haben sich noch nie geäußert" - Warum in Dresden?
Dresden – Eine schnelle Nummer sollte es sein, das Objekt der Begierde war aber am Ende wohl doch nicht so leicht zu Geld zu machen wie gedacht. Wer den spektakulären Einbruch ins Historische Grüne Gewölbe in Dresden initiiert und geplant hat, ist weiter unbekannt. Aber sicher ist nun, dass der Juwelendiebstahl vor dreieinhalb Jahren auf das Konto des Berliner Remmo-Clans geht. Am Dienstag soll nun das Urteil gesprochen werden.
Fünf Mitglieder des bekannten arabischstämmigen Clans haben vor einer Dresdner Strafkammer ihre Beteiligung daran oder an der Vorbereitung gestanden und erzählt, wie der Coup abgelaufen ist. Und der Großteil des gestohlenen Schmucks ist zurück - der Fall aber längst nicht aufgeklärt.
Der Einbruch ins Schatzkammermuseum war einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle in Deutschland und machte auch international Schlagzeilen. Sechs Brüder und Cousins zwischen 24 und 29 Jahren müssen sich wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung verantworten.
Ein sogenannter Deal brachte Anfang 2023 die Wende in dem medienwirksamen Prozess am Landgericht Dresden, der seit fast einem Jahr unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen in einem speziellen Verhandlungssaal läuft. Bis dahin hatten sich die Angeklagten ausgeschwiegen zur Sache.
Im Dezember 2022 dann stellte die Verteidigung die Herausgabe der Beute in Aussicht. Kurz vor Weihnachten aber lagen nur 18 der 21 gestohlenen Schmuckstücke, teils beschädigt, auf dem Tisch einer Kanzlei im Berliner Westen.
Der Anfang Januar 2023 geschlossenen Verständigung zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht stimmten vier der Angeklagten zu und verpflichteten sich zu "glaubhaften Geständnissen" und Befragungen - gegen verminderte Strafen.
Was sie vor Gericht erzählten, fügt sich zu einem filmreifen Szenario.
Diebe hüpften vor dem Schloss: Es passierte nichts
Am Anfang stand demnach das Handyfoto vom "Dresdner Grünen", aufgenommen beim Schulausflug eines Kumpels ins Grüne Gewölbe, das einer der beiden jüngsten Angeklagten erhalten hatte.
Die Idee wurde dann aber nach Besuchen im Neuen Grünen Gewölbe in der ersten Schlossetage als zu schwierig verworfen. Das rekonstruierte Juwelenzimmer im Erdgeschoss indes schien zugänglicher, zumal eine Aufsicht einem der Angeklagten versicherte, dass "die Steine echt sind" und ihm die Vitrine mit den "teuersten" zeigte.
Der Einbruch wurde über Monate vorbereitet, Autos, Kennzeichen, Handys beschafft. Bevor sie zuschlugen, fuhren mehrfach Teams nachts von Berlin nach Dresden, testeten die Sicherheitsanlagen am Residenzschloss und schnitten mit einer hydraulischen Rettungsschere, wie die Feuerwehr sie benutzt, ein Stück aus dem historischen Gitter vor dem Fenster zum Museum, das der Fassadenscanner wegen eines Vordachs nicht erfassen konnte, und setzten es mit Klebeband wieder ein.
Zu ihrer Verwunderung passierte nichts, obwohl das Schneiden "schon sehr laut war" oder sie vor der Fassade herumhüpften.
Der Hauptakt war Minutensache
Am frühen Morgen des 25. November 2019 rasten die Autos erneut von der Bundeshauptstadt gen Süden - zu sechst. Ein 26-Jähriger setzte dort, mit Hilfe von Benzin in Kochtöpfen, zuerst einen Stromverteiler in Brand, um Licht und Alarm im Schloss zu löschen – aber nur die Straßenlaternen gingen aus.
Der Hauptakt war dann Minutensache: um 4.56 Uhr stiegen der mit 29 Jahren älteste Angeklagte und eine bisher nicht angeklagte Person ins Museum ein, schlugen mit einer Axt Löcher in die Vitrine mit den prächtigsten Preziosen und rissen heraus, was sie zu fassen bekamen.
Nach nicht mal fünf Minuten waren sie wieder draußen, mit Schmuck aus Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 Millionen Euro.
Wenige Kilometer entfernt wechselten sie in das andere Auto, nachdem sie ihren Wagen in der Tiefgarage eines Wohnhauses in Brand gesetzt hatten, um Spuren zu verwischen – mit Erfolg.
Für den einen war es "ein echtes Abenteuer, eine Art Mutprobe", ein anderer wollte sein verblasstes Image als gefeierter "Meisterdieb" zurück.
Die Wende, der Coup, kam überraschend. Im Verlauf des Prozesses zeigten dann fünf Angeklagte Reue und entschuldigten sich. Der sechste hat ein Alibi - Notfall-Behandlung in einer Berliner Klinik.
Geständnisse und Beute für geringeres Strafmaß?
Die Rückgewinnung der wertvollen Kunstobjekte stand wohl auch beim "Deal" Pate. Der ist auch in Justizkreisen umstritten, obwohl die Verständigung zu Gerichtsverfahren gehört. Ein früherer Richter nannte es gar eine Farce. "Wie glaubhaft sind Angaben, bei denen jedes Wort zuvor genau mit den Verteidigern abgesprochen wird."
Dass Clan-Mitglieder vor Gericht plaudern, ist für Berliner Staatsanwälte neu. "In Verfahren, mit denen ich bisher zu tun hatte, haben sich die Remmos bisher nie geäußert", sagte Thomas Schulz-Spirohn. Auch eine Verständigung habe es noch nicht mit Straftätern aus der Familie gegeben.
Auch Ralph Knispel, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, ist dergleichen bisher nicht bekannt. Bei der Entscheidung, Geständnisse und Beute anzubieten, könne das drohende Strafmaß - bis zu zehn Jahre Jugendstrafe und bis zu 15 Jahre bei Erwachsenen für besonders schwere Brandstiftung – eine Rolle gespielt haben.
Trotzdem blieben viele Details im Dunkeln, auch weil die Verteidiger zur Bedingung machten, dass ihre Mandanten nicht zur Belastung Dritter verpflichtet sind. Die nannten ihre beiden Mittäter nur "X" und "Y" und machten keine Angaben, wer die Tat plante. Wo die Beute versteckt worden war und was mit dem Rest ist, wüssten sie nicht.
Es müsse viele Hintermänner, Drahtzieher, Helfershelfer und Mitwisser gegeben haben, sagte der Jurist und Publizist Butz Peters als Prozessbeobachter. "Aber dazu herrschte eisernes Schweigen."
Titelfoto: Sebastian Kahnert/dpa-Pool/dpa