Prozess in Berlin: Haft für Sterbehilfe-Arzt gefordert
Berlin - Im Prozess gegen einen Berliner Arzt um einen Sterbehilfe-Fall hat die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten beantragt.
Der 74-Jährige habe sich unter anderem des Totschlags in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht, sagte die Anklagevertreterin am Dienstag in ihrem Plädoyer. Die 37-jährige Studentin, der er geholfen habe, sei aus Sicht der Staatsanwaltschaft wegen ihrer Erkrankung nicht zur freien Willensbildung in der Lage gewesen.
"Sie war in einer akuten psychischen Ausnahmesituation und nicht sie selbst", so die Staatsanwältin.
Der Verteidiger plädierte hingegen auf Freispruch.
Das Berliner Landgericht will am 8. April ein Urteil verkünden.
Die Studentin der Tiermedizin soll Anfang Juni 2021 Kontakt zu dem Arzt aufgenommen haben. Laut Anklage stellte er ihr knapp zwei Wochen später tödlich wirkende Tabletten zur Verfügung, die sie jedoch erbrach.
Am 12. Juli 2021 soll der Arzt dann der 37-Jährigen in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament gelegt haben. Diese habe die Frau laut Ermittlungen selbst in Gang gebracht. Kurz darauf sei sie gestorben.
Mediziner sieht sich im Recht
Der Arzt hatte zu Prozessbeginn erklärt, er habe zu keinem Zeitpunkt an ihrer "Urteils- und Entscheidungsfreiheit" gezweifelt. "Ich sah die große seelische Not und die Entschlossenheit, notfalls einen Gewaltsuizid zu begehen." Sein Verteidiger sagte im Plädoyer, es fehle an einer gesetzlichen Regelung - "das ist ein großes Problem".
Der Angeklagte war früher 30 Jahre als Hausarzt in Berlin tätig. 2015 habe er seine Praxis abgegeben, so der Mediziner. Der Mann gehört einer Sterbehilfeorganisation an und hat nach eigenen Angaben für diese bislang etwa 100 Menschen beim Suizid begleitet.
In einem früheren Prozess um Sterbehilfe war der Arzt freigesprochen worden. Damals entschied das Berliner Landgericht im Fall einer an einer chronischen Darmerkrankung leidenden Frau. Der langjährige Hausarzt hatte der 44 Jahre alten Patientin bei ihrer Selbsttötung geholfen und ihr Tabletten verschrieben, die sie allein eingenommen hatte.
Der Patientenwille sei zu achten, hieß es im März 2018 im Urteil, das der Bundesgerichtshof (BGH) später bestätigte.
Titelfoto: Jörg Carstensen/dpa