Mutter wegen Mordes an Sohn (†2) verurteilt: Bedingungslose Liebe lässt Vater verzeihen
Berlin - Eine Mutter, die sich umbringen wollte und ihren zweijährigen Sohn getötet hat, ist am Mittwoch vom Landgericht Berlin wegen Mordes schuldig gesprochen worden. Dabei waren die Motive der schwerkranken Miriam D. (25, Name wurde zum Schutz der Angeklagten geändert) für diese Tat besonders tragisch.
Sechs Jahre Haft muss die momentan in einem JVA-Krankenhaus untergebrachte Miriam D. verbüßen. Aufgrund ihrer Brustkrebserkrankung hat die 25-Jährige für die kommenden Jahre jedoch lediglich eine Lebenserwartung von unter 50 Prozent.
Die Diagnose war für die schon zuvor psychisch labile Miriam D. ein schwerer Schicksalsschlag, der sie zu einem erweiterten Suizid brachte, wie Richter Konstantin Stern in seinem Urteil ausführte.
Die gelernte Krankenschwester reichte ihrem 2-Jährigen Sohn mehrere Tabletten. Laut ihrer Aussage sollte das Kleinkind selbst entscheiden, ob es mit ihr in den Tod geht. Der Junge nahm die Tabletten, wurde zunächst aber nur bewusstlos.
Daraufhin nahm Miriam D. selbst Medikamente ein, legte sich in die mit Wasser vollgelaufene Wanne und den Zweijährigen auf ihre Brust. Der Vater schlief im Kinderzimmer nebenan und fand die beiden Stunden später. Zu diesem Zeitpunkt war der Junge schon tot.
Bevor das Urteil verkündet wurde, stellte der Sachverständigen Herrn Dr. Torsten Seelig (43) sein psychiatrisches Gutachten vor. "Mit ihrer Tat befand sich Miriam D. am Rand des sozialen Systems, hat die Schwelle jedoch nicht überschritten."
Miriam D. sei einsichtsfähig, aber in ihrem Steuerungsvermögen deutlich eingeschränkt, hieß es.
Zum Zeitpunkt des Suizids war sie schwanger
Miriam D. hatte eine schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, die einst selbst mit Suizid gedroht habe.
Sie arbeitete nach dem Mutterschutz bei einer Leihfirma als Krankenschwester in Berlin, er als Buchhalter.
Ihren Sohn wollten sie nicht in fremde Betreuung geben und teilten sich diese auf. Das Gericht hatte kein Zweifel, dass der 2-Jährige von beiden Elternteilen überaus geliebt wurde.
Die gelernte Krankenschwester entschied sich zunächst gegen jegliche Krebs-Behandlung, um mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen zu können.
Miriam D. hatte Kontrollzwänge, Ängste und schwere psychische Episoden, die sich verstärkten. Sie weinte, wenn der Vater den Jungen auf ein zu hohes Klettergerüst gesetzt hatte oder mit ihm aus dem Raum ging. Sie glaubte, durch Omen ihre düsteren Annahmen bestätigt.
Vor der Tat legte Miriam D. einen Vorrat an Tabletten an. Sie fürchtete, dass sie während der Therapie keine gute Mutter für den 2-Jährigen sein könne und wollte ihrer Familie das Leid ersparen. Ein Abschiedsbrief kündigte ihre Tat an.
Zum Zeitpunkt des Entschlusses sich selbst und ihren Sohn zu töten, war sie mit einem weiteren Kind schwanger, das bereits einen Namen hatte. Kurz vor der Tat soll sie einen Test gemacht haben und dann ihren in einem Abschiedsbrief vermerkten Tötungsentschluss in die Tat umgesetzt haben.
Das Baby verlor sie wenige Tage danach in der 19. Schwangerschaftswoche. Sie band sich den toten Fötus um ihren Körper und lief damit umher, ohne dass jemand etwas ahnte.
Richter: Bedingungslose Liebe soll ihr ein Ansporn sein
Der Ehemann gab vor Gericht an, seiner Frau verziehen zu haben. Er forderte eine milde Strafe, um so viel verbleibende Zeit wie möglich mit ihr verbringen zu können.
Die Staatsanwaltschaft forderte zehn Jahre und Haftfortdauer mit eventueller Chemotherapie. Der Verteidiger rang um Fassung: "Das ist mit Abstand der tragischste Fall, den ich in meiner juristischen Laufbahn auf dem Tisch hatte."
Er gab an, keinen Antrag stellen zu wollen, forderte dann aber höchstens drei Jahre für seine Mandantin. Er habe erfahren, dass Miriam D. weitere Knoten in der Brust ertastet habe.
Richter Stern wolle in der Situation keine Ratschläge erteilen, aber Miriam D. habe einen Mann, der sie bedingungslos liebt und das soll ihr ein Ansporn sein, darüber nachzudenken, wie sie mit ihrer Erkrankung umgeht. "Für das, was Ihnen bevorsteht, wünsche ich Ihnen viel Kraft", so Stern.
Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.
Normalerweise berichtet TAG24 nicht über Suizide. In dem Fall hat sich die Redaktion entschieden, es doch zu thematisieren. Solltet Ihr selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, findet Ihr bei der Telefonseelsorge rund um die Uhr Ansprechpartner, natürlich auch anonym. Telefonseelsorge: 08001110111 oder 08001110222 oder 08001110116123.
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