"Junge Welt" klagt gegen oberste Bundesbehörde: "Wir streben keine Gesellschaftsordnung an"
Berlin - Die Zeitung "Junge Welt" wehrt sich vor Gericht gegen die Nennung in Verfassungsschutzberichten.
Das 1947 gegründete überregionale Blatt mit Hauptsitz in Berlin klagt gegen das Bundesinnenministerium, weil es seit Ende der 1990er-Jahre in Verfassungsschutzberichten aufgeführt wird.
Demnach handelt es sich bei der "Jungen Welt" um eine Tageszeitung, die die "Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischen Verständnis" anstrebe.
Geschäftsführer Dietmar Koschmieder (68) wies dies bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Berlin zurück. "Wir streben keine Gesellschaftsordnung an, sondern wir machen eine Zeitung", sagte er.
Dabei erkläre das Blatt, nach welchen Kriterien dies erfolge, so das aktive Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).
"Junge Welt"-Zeitung: Erhebliche Nachteile durch Nennung
Der "Jungen Welt", die nach eigenen Angaben eine Auflage von 21.000 verkauften Exemplaren hat, entstünden erhebliche Nachteile bei der redaktionellen Arbeit sowie bei Werbeerlösen durch die Erwähnung in den Berichten. Diese Erwähnung verstoße gegen die Meinungs- und Pressefreiheit, betonte Anwältin Anja Heinrich.
Laut Verfassungsschutzbericht ist die Tageszeitung jedoch auch als "politischer Faktor" zu sehen, etwa weil sie jährlich die Rosa-Luxemburg-Konferenz abhalte. Einzelne Stamm- und Gastautoren sowie Redakteure der Zeitung seien klar dem linksextremen Spektrum zuzurechnen.
Zudem bekenne sich die "Junge Welt" nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit.
Berlin: Tageszeitung will bei Niederlage weiterkämpfen
Die Zeitung hatte bereits vor dem Prozess versucht, im Eilverfahren eine Verbreitung der Berichte zu stoppen. Dies war jedoch gescheitert.
Das Verwaltungsgericht hatte im März 2022 dafür keinen ausreichenden Grund gesehen. Es sei der Zeitung zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten, so das Gericht.
Der Verlag habe die Praxis des Bundesinnenministeriums über viele Jahre hingenommen, hieß es unter anderem.
Die Klage der "Jungen Welt" richtete sich zunächst gegen die Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten für die Jahre 1998, 1999, 2002 und 2004 bis 2020. Inzwischen wurde sie erweitert auf weitere Publikationen bis 2023.
Das Urteil will das Gericht noch am Nachmittag (ab 14 Uhr) sprechen. Für den Fall einer weiteren Niederlage in erster Instanz will die Zeitung weiterkämpfen. "Wir werden es weiter durchziehen - auch wenn es Zeit, Geld und Energie kostet", sagte der stellvertretende Chefredakteur Nick Brauns.
Titelfoto: Britta Pedersen/dpa