Staatsanwalt fordert zwölf Jahre: Muss Stasi-Killer (80) für den Rest seines Lebens hinter Gitter?

Berlin/Leipzig - Geht es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft, dann wird er wohl den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen. Im Prozess um die Erschießung des polnischen Feuerwehrmannes Czeslaw Kukuczka (†38) 1974 am DDR-Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße hat die Anklage zwölf Jahre Haft für den mutmaßlichen Auftragskiller Manfred N. (80) gefordert. Der heute in Leipzig lebende einstige Stasi-Offizier schwieg bis zuletzt.

Das Mordopfer: Czesław Kukuczka (†38).
Das Mordopfer: Czesław Kukuczka (†38).  © Archiv

Für Staatsanwältin Henrike Hillmann waren die tödlichen Schüsse, die am 29. März 1974 durch den Grenztunnel im Bahnhof Friedrichstraße hallten und Czeslaw Kukuczka in den Rücken trafen, ein heimtückischer Mord.

Nach Überzeugung der Anklägerin war es Manfred N., der damals als Oberleutnant einer Stasi-Spezialeinheit den Abzug betätigte.

Der Angeklagte sei mit der "Unschädlichmachung" des Polen beauftragt worden, nachdem dieser mit einer Bombendrohung seine Ausreise in den Westen erzwingen wollte, so die Staatsanwältin.

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Später sei er dafür von der Stasi mit dem "Kampforden in Bronze" ausgezeichnet worden. Beleg dafür ist demnach ein von Stasi-Minister Erich Mielke (†92) unterzeichneter Befehl.

Das Schriftstück aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv hat eine zentrale Bedeutung im Prozess. Erst im Jahr 2016 lieferte es den entscheidenden Hinweis zur Identität des Schützen.

Der Tatort: Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße - in einem unterirdischen Gang soll der Stasi-Mann den Auftragsmord laut Anklage am 29. März 1974 ausgeführt haben.
Der Tatort: Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße - in einem unterirdischen Gang soll der Stasi-Mann den Auftragsmord laut Anklage am 29. März 1974 ausgeführt haben.  © dpa-ZB/Krisch
Vor dem Landgericht Berlin wird seit März gegen den früheren Stasi-Oberleutnant verhandelt. Den Kammervorsitz hat Richter Bernd Miczajka (r.).
Vor dem Landgericht Berlin wird seit März gegen den früheren Stasi-Oberleutnant verhandelt. Den Kammervorsitz hat Richter Bernd Miczajka (r.).  © Sebastian Gollnow/dpa

Angeklagter Manfred N. schweigt vehement, Opfer-Angehörige fordern Verurteilung

Verbarg sein Gesicht stets hinter einem Hefter und schwieg bis zuletzt: der mutmaßliche Stasi-Killer Manfred N. (80), der heute als Rentner in Leipzig lebt.
Verbarg sein Gesicht stets hinter einem Hefter und schwieg bis zuletzt: der mutmaßliche Stasi-Killer Manfred N. (80), der heute als Rentner in Leipzig lebt.  © Sebastian Gollnow/dpa

Während die Staatsanwaltschaft das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sieht, ist für die Verteidigung die Täterschaft nicht hinreichend geklärt. Recherchen von Historikern reichten nicht aus für eine rechtliche Bewertung, sagte Verteidigerin Andrea Liebscher.

Sie hatte zu Beginn des Prozesses im März im Auftrag ihres Mandanten die Vorwürfe bestritten. Manfred N. selbst äußerte sich bis zuletzt nicht. Die Verteidigerin plädierte auf Freispruch.

Mehrere Familienangehörige Kukuczkas, die im Prozess als Nebenkläger auftraten, forderten dagegen eine Verurteilung des Angeklagten, verzichteten jedoch auf einen konkreten Strafantrag.

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Das Urteil wird am kommenden Montag gesprochen.

Erstmeldung: 9.54 Uhr, zuletzt aktualisiert: 18.38 Uhr

Titelfoto: Bildmontage: Archiv, Sebastian Gollnow/dpa

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