Millionen-Betrug während Corona-Pandemie? Heftige Vorwürfe gegen Bürgermeister!
Nürnberg - Über mehrere Jahre hinweg sollen ein Allgäuer Rathauschef und der Leiter eines Pflegedienstes den Staat um Millionen Euro betrogen haben! Vor Gericht belastete der geständige Mitangeklagte den Lokalpolitiker schwer.
Es ist ein extrem dichtes Geflecht aus vier Firmen, unzähligen Rechnungen und am Ende einer sehr, sehr hohen Summe: Um 2,1 Millionen Euro sollen der Bürgermeister der Allgäuer Gemeinde Seeg und der Pflegedienstleiter den Staat betrogen haben.
Mit zum Teil gefälschten Rechnungen sollen sie Geld aus dem sogenannten Pflege-Rettungsschirm während der Coronavirus-Pandemie zu Unrecht erhalten haben. Der Vorwurf wiegt somit schwer.
Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth begann am heutigen Montag der Prozess gegen den Politiker Markus Berktold (49) und den 42 Jahre alten Leiter eines Pflegedienstes in der Ostallgäuer Gemeinde.
Mehr als eine Stunde (!) des Auftakts benötigte Oberstaatsanwaltschaft Torsten Haase, um nur die rund 40 Seiten umfassende Anklage zu verlesen.
In dieser wird dem 49-jährigen CSU-Politiker neben dem Pflegebetrug entsprechend auch Untreue vorgeworfen. Der Rathauschef soll bei der Abwicklung eines Vereins rund 825.000 Euro auf sein Privatkonto überwiesen haben. Zudem habe er dem Verein zustehende Pachtforderungen von rund 570.000 Euro grundlos nicht geltend gemacht, hieß es.
Prozess in Nürnberg: Markus Berktold soll von gefälschten Rechnungen gewusst haben
Der Leiter des Pflegedienstes belastete den Bürgermeister am Montag dabei letztlich schwer.
Berktold habe gewusst, dass es sich um gefälschte Rechnungen handelte und diese auch selbst eingereicht, sagte der 42-Jährige vor Gericht.
Ihm wirft die Staatsanwaltschaft zudem vor, mit seiner ebenfalls angeklagten Ehefrau 270.000 Euro aus dem Pflege-Rettungsschirm unrechtmäßig erhalten und damit private Schulden beglichen zu haben. Der 42-Jährige räumte die Vorwürfe wie auch schon bei den Ermittlungen vollständig ein.
Er schilderte, wie er etwa die Kosten für eine neue Schließanlage für eine Pflegeeinrichtung auf mehrere Rechnungen aufgeteilt und so als andere Posten bei der Pflegekasse geltende gemacht habe.
Ihm sei demnach bewusst gewesen, dass dies nicht vom Pflege-Rettungsschirm abgedeckt gewesen sei. Und dem mit ihm zusammen angeklagten Bürgermeister als Geschäftsführer der beteiligten Firmen auch, sagte er.
Verteidiger von Markus Berktold bezichtigen Leiter des Pflegedienstes der Lüge
Nicht nur das sorgte bei den Richtern für sehr viel Kopfschütteln. Denn an anderer Stelle erklärte der Angeklagte, er habe teilweise nur deshalb falsche Rechnungen ausgestellt, weil er auf die Originale nicht habe zugreifen können und wegen möglicher Rückforderungen unter Zeitdruck gestanden habe.
Der Seeger Bürgermeister nahm zu den Vorwürfen zunächst keine Stellung. Seine Verteidiger wollten zum späteren Zeitpunkt eine Erklärung abgeben.
Bei einem Gespräch der jeweiligen Parteien vor Prozessbeginn hatten die Verteidiger allerdings deutlich gemacht, was sie von den Ausführungen des Pflegedienstleiters halten. Nach Angaben der Strafkammer beschuldigen die Verteidiger Berktolds den 42-Jährigen entsprechend der Lüge.
Zugleich sollen sie betont haben, dass ihr Mandant keine Gelder für private Zwecke genutzt, sondern stets wieder in seine Pflegeunternehmen gesteckt habe. Es gilt derzeit die Unschuldsvermutung.
Für das zuständige Gericht im Freistaat wird es in den kommenden zehn Verhandlungstagen bis Januar 2024 darum gehen, nicht nur das Geflecht aus Firmen, Rechnungen und natürlich auch rechtmäßigen Leistungen zu entwirren, sondern ebenfalls die widersprüchlichen Aussagen der Angeklagten zu hinterfragen. Die Ermittlungen hatte die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg geführt.
Das Verfahren gegen die mitangeklagte Frau des Pflegedienstleiters wurde aus gesundheitlichen Gründen noch vor Beginn des Prozesses von diesem abgetrennt, da sie laut Gericht derzeit nur eingeschränkt verhandlungsfähig ist.
Titelfoto: Daniel Karmann/dpa