Mordprozess ohne Leiche: Vermisste Alexandra R. war hochschwanger

Nürnberg - Es sollte aussehen, als wäre Alexandra R. untergetaucht. Doch die Ermittler sind sicher: Zwei Männer haben die Hochschwangere ermordet. Sie hatten einen ausgeklügelten Plan, hinterließen laut Anklage aber Spuren.

Seit dem 9. Dezember 2022 fehlt von Alexandra R. (o.r.) jede Spur. Umfangreiche Suchmaßnahmen, unter anderem am Nürnberger Hafen mit Sonar, Leichenspürhunden und Sonarbooten, verliefen ergebnislos.
Seit dem 9. Dezember 2022 fehlt von Alexandra R. (o.r.) jede Spur. Umfangreiche Suchmaßnahmen, unter anderem am Nürnberger Hafen mit Sonar, Leichenspürhunden und Sonarbooten, verliefen ergebnislos.  © Heiko Becker/dpa; Polizei (Montage)

Die Mordanklage in dem Prozess um das Verschwinden einer Schwangeren aus Nürnberg liest sich wie aus einem Krimi: Die beiden Männer sollen sich für die Tat Prepaid-Handys und Autos ohne Navigationsgeräte besorgt haben, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen.

Nach dem Mord sollen sie die Leiche verschwinden lassen und eine falsche Spur gelegt haben. Es sollte der Eindruck entstehen, die 39-Jährige habe sich ins Ausland abgesetzt.

Doch die Ermittler sind sich sicher, dem ehemaligen Lebensgefährten der Frau und seinem Komplizen auf die Schliche gekommen zu sein. Die Beweise sprechen aus ihrer Sicht für Mord - auch wenn bisher keine Leiche gefunden werden konnte.

Ex-Freundin (†18) erstochen: Staatsanwalt fordert fast 15 Jahre Haft für Teenager
Gerichtsprozesse Bayern Ex-Freundin (†18) erstochen: Staatsanwalt fordert fast 15 Jahre Haft für Teenager

Seit Dienstag müssen sich der 50-Jährige aus Bosnien-Herzegowina und der 48-jährige Deutsche wegen Mordes, Geiselnahme, Betrugs und anderer Straftaten vor dem Landgericht in Nürnberg verantworten.

Mordprozess um verschwundene Schwangere: Angeklagte schweigen

Der ehemalige Lebensgefährte von Alexandra R. betritt den Gerichtssaal.
Der ehemalige Lebensgefährte von Alexandra R. betritt den Gerichtssaal.  © Daniel Karmann/dpa

Im dunklen Anzug mit hellblauer Krawatte kommt der 50-Jährige in den Prozesssaal. Sein Gesicht verbirgt der ehemalige Lebensgefährte des Opfers hinter Sonnenbrille, Maske und einem Aktenordner.

Der Mitangeklagte trägt ein weißes Hemd und Brille, sein Gesicht versteckt er nicht vor den vielen Kameras der Journalistinnen und Journalisten.

Scheinbar gelassen lauschen die Männer der Anklageschrift, die den ausgeklügelten Plan der beiden und den Ablauf der Tat schildert. Immer wieder runzelt der 50-Jährige die Stirn.

"Absoluter Vernichtungswille" beim Mord an Ex-Partnerin: Gericht folgt Forderung der Anklage
Gerichtsprozesse Bayern "Absoluter Vernichtungswille" beim Mord an Ex-Partnerin: Gericht folgt Forderung der Anklage

Als Oberstaatsanwältin Alexandra Hussennether auf die Vermögensverhältnisse des Opfers zu sprechen kommt, lacht er kurz auf. Doch zu den Vorwürfen schweigen die beiden Angeklagten an dem Tag vor Gericht.

Ein Luxus-Leben und teure Autos

Obwohl ihre Leiche bis heute nicht gefunden wurde, gehen Ermittler davon aus, dass die 39-Jährige von ihrem früheren Lebensgefährten und dessen Geschäftspartner verschleppt und getötet wurde.
Obwohl ihre Leiche bis heute nicht gefunden wurde, gehen Ermittler davon aus, dass die 39-Jährige von ihrem früheren Lebensgefährten und dessen Geschäftspartner verschleppt und getötet wurde.  © Daniel Karmann/dpa

Das Vermögen der Bank-Filialleiterin war aus Sicht der Staatsanwaltschaft das treibende Motiv für den Mord.

Ihr damaliger Lebensgefährte - zu dem Zeitpunkt schon wegen Wirtschaftsdelikten vorbestraft und arbeitslos - soll ihr Geld für Immobiliengeschäfte verwendet haben, die über den zweiten Angeklagten liefen. Dadurch konnten sich die beiden der Anklage zufolge ein luxuriöses Leben mit teuren Autos leisten.

Mit der Zeit habe es aber zunehmend Streit um die Finanzgeschäfte gegeben und die Frau habe sich ausgenutzt gefühlt, sagt Hussennether. 15 Jahren waren die beiden ihr zufolge ein Paar, kümmerten sich gemeinsam um eine Pflegetochter und trotzdem war er die ganze Zeit mit einer anderen Frau verlobt, was das spätere Opfer vermutlich nicht wusste.

Im März 2022 trennte sich die leitende Bankangestellte von ihrem Lebensgefährten und sperrte seinen Zugriff auf ihre Konten.

Dadurch sei die Geschäftsgrundlage der beiden Angeklagten weggebrochen, sagt Hussennether. Gemeinsam sollen sie deshalb versucht haben, mit einer Betrugsmasche an das Vermögen der Frau zu kommen. Diese zeigte die Männer an.

Alexandra R. verschwand kurz vor einem Prozess gegen ihren Ex-Lebensgefährten

Die Anklage gegen die beiden 50 und 48 Jahre alten Beschuldigten lautet auf Mord und Geiselnahme.
Die Anklage gegen die beiden 50 und 48 Jahre alten Beschuldigten lautet auf Mord und Geiselnahme.  © Daniel Karmann/dpa

Im Dezember sollte es zum Prozess wegen des Betrugs kommen. Doch wenige Tage vorher verschwand die Frau, nachdem sie ihre Pflegetochter zur Kita gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die 39-Jährige von ihrem neuen Lebensgefährten im achten Monat schwanger.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden Beschuldigten der Frau an dem Tag folgten, sie überwältigten und in eine Lagerhalle brachten. Sie sollen sie dann gezwungen haben, einen Brief zu schreiben, in dem sie ihre Anzeigen zurücknahm. Dieser ging Tage später bei der Justiz ein. Im Anschluss sollen die Männer die Frau dort oder in einem Waldstück an der Autobahn 8 in Oberbayern getötet haben - und damit auch ihr ungeborenes Kind. "Die Leiche verbrachten sie an einen bislang unbekannten Ort", sagt Hussennether.

Um den beiden Männer all das nachzuweisen, haben die Ermittler Hunderte Spuren und Hinweise in mehreren europäischen Ländern gesammelt. 100 Zeugen und zehn Sachverständige sollen in dem Verfahren aussagen, insgesamt 37 Verhandlungstage hat die Kammer für den aufwendigen Indizienprozess angesetzt.

Ob trotz umfangreicher Beweisaufnahme alle Fragen zum Tod der 39-Jährigen beantwortet werden können, das bezweifelt der Nebenklage-Anwalt Harald Straßner. Er sei aber zuversichtlich, dass es für eine Verurteilung der beiden Angeklagten ausreiche. "Es ist sehr gut ermittelt worden", sagt der Jurist, der die Eltern und den Bruder des Opfers im Prozess vertritt.

"Es ist eigentlich jeder Stein umgedreht worden, den man braucht für ein solches Ermittlungsergebnis."

Erstmeldung 5.40 Uhr, zuletzt aktualisiert 14.18 Uhr

Titelfoto: Heiko Becker/dpa; Polizei (Montage)

Mehr zum Thema Gerichtsprozesse Bayern: