Neue Betrugs-Maschen am Telefon: Von wegen Enkeltrick! Jetzt werden auch Junge zum Opfer
Leipzig - Bei Anruf Abzocke! Bislang wurden vor allem Senioren am Telefon Opfer von sogenannten Enkeltricks und von Schockanrufen. Doch jetzt kommt eine völlig neue Zielgruppe in den Fokus der Telefonbetrüger: Jugendliche! Sie werden durch Text- oder Sprachnachrichten auf dem Handy um Geld geprellt, warnt die Verbraucherzentrale. Mittäter ist inzwischen sogar die viel beschworene künstliche Intelligenz (KI), die schamlos für die Verbrechen missbraucht wird.
Der klassische Enkeltrick beginnt mit einem Schockanruf. Betrüger geben sich als Verwandte aus, täuschen eine Notlage vor. Oder sie fordern für eine "einmalige Gelegenheit" kurzfristig Bares - um Haus, Auto oder Wohnung zum Schnäppchenpreis zu erwerben.
"Zuletzt wurde am vergangenen Dienstag gegen 12 Uhr eine Dresdnerin von einer Unbekannten angerufen, die sich als deren Enkelin ausgab und in einer Notsituation wäre", sagt Marko Laske, Sprecher der Polizeidirektion Dresden.
"2020 registrierten wir insgesamt 1079 Fälle des Phänomens in Sachsen, 2021 waren es bereits 1418 und im vergangenen Jahr 1144 Fälle", sagt Kathlen Zink vom Landeskriminalamt Sachsen.
2022 belief sich die dabei allein im Freistaat erbeutete Summe auf 1.941.506 Euro. Die Dunkelziffer ist hoch, weil viele Opfer der Enkeltrickmafias aus Scham keine Anzeige erstatten.
Betrüger geben sich als PayPal-Mitarbeiter aus
"Längst werden jedoch nicht nur unbedarfte lebensältere Opfer des Phänomens Enkeltrick und von Schockanrufen", weiß Maxi Böckel, Sprecherin bei der Polizeidirektion Leipzig.
Inzwischen gehen auch Jugendliche mit ihrem Smartphone Betrügern auf den Leim.
So geben sich Anrufer derzeit als Mitarbeiter des Online-Bezahldienstes PayPal aus und drängen darauf, eine bestimmte Tastenkombination einzugeben. Dadurch wird ungewollt einem Vertrag zugestimmt, warnt die Verbraucherzentrale aktuell.
In Leipzig soll durch diese neue Masche eine 21-Jährige mehrere Tausend Euro eingebüßt haben. Sie sollte außerdem die Nummern von gekauften Apple-Gutscheinkarten übermitteln.
Stimmen von Verwandten werden mithilfe von KI kopiert
Mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) erreicht die perfide Enkeltrick-Masche jetzt ein neues Niveau. Dafür nutzen Betrüger Original-Sprachfetzen aus sozialen Medien, um die Stimmen von Verwandten ihrer Opfer zu kopieren.
Schon wenige Worte aus einer Sprachnachricht, einem TikTok- oder YouTube-Video reichen aus, um von einer KI-Software völlig neue Sätze erzeugen zu lassen. Die sogenannten Deepfake-Anrufe klingen in Stimmfarbe und -weise genau wie das Original: Verwandte, Freunde, Amtspersonen, Prominente.
Mit der täuschend echt kopierten Stimme wird dann bei Anrufen wie beim klassischen Enkeltrick vorgetäuscht, dass sich Verwandte in Not befinden und dringend Geld brauchen. Die scheinbar vertrauten Stimmen üben Druck aus, Überweisungen oder Geldübergaben durchzuführen.
Wirklicher Notruf oder cleverer Betrug? Das wird für Angerufene immer schwerer zu unterscheiden.
"Grundlage solcher Taten ist oft sogenanntes Phishing oder die Nutzung bereits anderswo abgegriffener Daten", erklärt Erk Schaarschmidt, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale. Die Angerufenen sollten darauf achten, ob die Stimme abgehackt klingt oder unregelmäßig spricht.
Dann sollte man das Gespräch besser beenden und den Verwandten selbst noch einmal anrufen, um sich Klarheit zu verschaffen.
So beugt Ihr am besten vor
Limite einsetzen
"Wer einen möglichen Schaden von vornherein begrenzen will, kann mit seiner Bank ein an seine aktuellen Bedürfnisse angepasstes tägliches Überweisungslimit vereinbaren", rät Verbraucherschützer Schaarschmidt. Dieses könnte zum Beispiel deutlich unterhalb von 1000 Euro liegen.
"Zumindest, wenn das Konto noch nicht komplett in den Händen von Kriminellen ist, lässt sich so der Schaden begrenzen." Auch Dispo und Kreditkartenlimit limitieren. Wer plötzlich mehrere Tausend Euro an vermeintliche Enkel oder Kinder überweisen soll, wird so vielleicht noch einmal zum Nachdenken gebracht.
Auslandsüberweisungen vermeiden
Alle Alarmglocken sollten schrillen, wenn die IBAN, an die man überweisen soll, nicht mit DE beginnt, sondern mit einer ausländischen Kennung (z.B. AT für Österreich oder GB für Großbritannien).
Vorsicht bei unerwarteten Anrufen und Mails
Beliebte Methoden zum Abgreifen von Daten sind Anrufe oder Mails, die vorgeben, von der Bank oder einem bekannten Unternehmen zu stammen.
Faustregel: Banken rufen ihre Kunden nicht unaufgefordert an. Schaarschmidt: "Wer ganz sichergehen will, kontaktiert unter einer bereits abgespeicherten oder an anderer Stelle gefundenen Nummer das Unternehmen und hakt nach."
Namen kürzen
Ältere Leute sollten ihren Vornamen im Telefonbuch abkürzen lassen - statt Gertrud Müller also nur G. Müller. Gauner suchen nach "älter klingenden" Namen. Die Polizei empfiehlt eine komplette Austragung aus dem Telefonbuch.
Auch hier müsst Ihr achtsam sein
Vorsicht bei Gewinnversprechen am Telefon oder als WhatsApp: keine Vorauszahlungen leisten! Anrufern keine sensiblen persönlichen Informationen wie Kontodaten oder Kreditkartennummern mitteilen.
Falsche Polizisten wollen angeblich eine Einbruchserie aufklären, fordern sicherheitshalber die Aushändigung von Schmuck und Bargeld an einen Kollegen. Doch das ist bloß ein Komplize. Beim Polizeirevier oder Notruf 110 anrufen. Für Rückrufe immer die offizielle Einwahlnummer wählen, keinesfalls mit Rückruftaste.
"Hallo Papa, das ist meine neue Handynummer. Bitte abspeichern und mir eine WhatsApp schicken!" So beginnt meist der sogenannte "Tochtertrick". Danach sollen Eltern Überweisungen ausführen, weil das mit dem neuen Handy angeblich noch nicht ginge. Tipp: erst mal die alte Nummer der Tochter anrufen, um sich zu vergewissern.
Schockanrufer erzählen am Telefon unter Sirenengeheul im Hintergrund von angeblichen Verkehrsunfällen Angehöriger mit hohem Sachschaden oder Todesopfern. Um eine Haftstrafe abzuwenden oder eine Notoperation zu bezahlen, soll Geld übergeben werden.
Wer trotz aller Vorsicht auf Trickbetrüger hereingefallen ist, kann auch online Anzeige erstatten: www.polizei.sachsen.de/onlinewache
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