Macht durch Schikane: Online-Bande quält Opfer in Deutschland

Deutschland - Sie sorgen für Polizeieinsätze, Terroralarm und ratlose Ermittler: eine Gruppe von dreisten Mobbern treibt im Internet ihr Unwesen - mit gravierenden Folgen.

In den vergangenen beiden Jahren sollen Lola rund 30 Swatting-Attacken ereilt haben.
In den vergangenen beiden Jahren sollen Lola rund 30 Swatting-Attacken ereilt haben.  © Screenshot/Instagram/quitelola

Eine Geschichte, wie im falschen Film: Lola teilt mit ihrer Fangemeinde (Twitch/quitelola) eine Hafenrundfahrt in Hamburg, streamt diese Bilder live ins Netz.

Als sie von Bord geht, wird sie von rund 30 Polizisten empfangen, andere Passagiere in Sicherheit gebracht.

"Es ist ein komisches Gefühl, wie eine Terroristin behandelt zu werden", so die 31-Jährige gegenüber SPIEGEL, die bereits mehrfach Opfer der Internet-Mobber wurde.

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Die Recherchen des SPIEGEL und ARD-Politikmagazins "Kontraste" offenbaren einmal mehr hinterhältige Machenschaften im virtuellen Raum.

Falsche Notrufe sorgen für Chaos

In geschlossenen Chatgruppen werden die Angriffe vorbereitet. Oft rücken dann ganze Sondereinsatzkommandos aus. (Symbolfoto)
In geschlossenen Chatgruppen werden die Angriffe vorbereitet. Oft rücken dann ganze Sondereinsatzkommandos aus. (Symbolfoto)  © Andreas Kretschel

Lola solle gedroht haben, den Kapitän mit einem Messer anzugreifen - letztlich wurde jedoch sie zum Opfer. Ein unterzeichnetes Bekennerschreiben erreichte die Twitch-Streamerin, in der sich ein Mitglied der sogenannten "New World Order" (NWO) zum Hafenfahrt-Swatting bekannte.

Beim sogenannten "Swatting" treten schwer bewaffnete Polizeieinheiten (in den USA als SWAT-Teams bezeichnet) infolge eines vorgetäuschten Notrufs, meist anonym, in Aktion. Seinen Ursprung hat die Belästigungsmasche in der Online-Gaming-Gemeinschaft.

Attacken dieser Art sind nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden ein Problem und richten sich nicht mehr nur gegen Personen des öffentlichen Lebens. Auch Schulen oder Behörden werden belästigt.

Opfer werden schikaniert und eingeschüchtert

Auch der Innenpolitiker Sebastian Fiedler (50, SPD) äußerte sich entsetzt über das Vorgehen der NWO-Mitglieder.
Auch der Innenpolitiker Sebastian Fiedler (50, SPD) äußerte sich entsetzt über das Vorgehen der NWO-Mitglieder.  © Pressefoto/Maurice Weiss

Seit fast sechs Jahren gruppieren sich laut SPIEGEL-Informationen hunderte Angreifer in der sogenannten NWO.

Organisiert in geschlossenen Chatgruppen soll sie für zahlreiche Angriffe, unter anderem offenbar Bombendrohungen an Schulen und Behörden, im deutschen Raum verantwortlich sein.

Die Gruppe macht ihren Opfern das Leben zur Hölle: persönliche Daten werden ergaunert und verbreitet, Psychoterror mit den Opfern betrieben! Erwischen kann es dabei so gut wie jeden.

Ein Insider berichtet im Gespräch mit dem SPIEGEL über das Ziel der NWO, öffentliche Personen "sadistisch zu ärgern".

Je größer die mediale Aufmerksamkeit und das verursachte Chaos, umso besser. "Ich war zwei Tage wach und habe nur Leute geswattet", so ein Mitglied der Gang in einer Audio, die dem SPIEGEL vorliegt. Man habe sich "gefühlt wie der König". Sorgen, gefasst zu werden, habe man kaum. Zudem schweigen viele der Opfer, aus Angst vor der Gruppe.

"Das ist ein Beispiel dafür, wie Cyberkriminelle im Netz und mit Telefonanrufen ihr Unwesen treiben können und gravierende Folgen in der realen Welt auslösen", so SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler (59) zu den NWO-Aktionen.

Titelfoto: Fotomontage Andreas Kretschel, Screenshot Instagram/quitelola

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