Tschentscher bei Demo gegen rechts: "Wir wollen unser Land nicht ein zweites Mal zerstören lassen!"

Hamburg - Rund 100.000 (!) Hamburger und Hamburgerinnen sind am Freitagnachmittag aufgestanden: gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke und für die Demokratie. Bereits vor der offiziellen Startzeit der groß angekündigten Demo "Hamburg steht auf" hatten sich tausende Teilnehmer – viele mit Bannern und Plakaten ausgerüstet – am Jungfernstieg versammelt. Unter ihnen auch mehrere Redner aus Politik, Sport und Gesellschaft.

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (57, SPD) sprach am Freitag auf der Bühne am Jungfernstieg
Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (57, SPD) sprach am Freitag auf der Bühne am Jungfernstieg  © Madita Eggers/TAG24

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (57, SPD) appellierte in seiner Rede, "der AfD, den Rechtsextremen und Demokratiefeinden in unserem Land" eine klare Botschaft zu senden. "Und diese Botschaft lautet: nie wieder!"

Man sei an einem Punkt angelangt, an dem alle rechtschaffenen Bürger und Demokraten Haltung zeigen müssten, nicht nur im politischen, sondern auch im privaten Alltag.

"Wir alle sind betroffen über die rechtsradikalen Entgleisungen in unserem Land, doch wie müssen sich erst unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen mit Migrationshintergrund fühlen, die von den Deportationsfantasien der Rechtsradikalen in erster Linie angesprochen sind?"

Eine von ihnen ist Tanja Chawla (48), Mit-Veranstalterin und Vorsitzende des DGB Hamburg, die am Freitag auch ans Rednerpult trat und sich erstmal für die "überwältigende Resonanz" der Menge bedankte und die "hervorragende Stimmung".

"Wir haben in den letzten Monaten immer mehr die Brandmauer nach rechts bröckeln gesehen. Rechtsextreme und rechtspopulistische Meinungen scheinen wieder salonfähig zu werden", so die Gewerkschafterin. Doch Hamburg stehe jetzt auf, "gegen rechtsextreme Hetze und rechte Netzwerke." Und auch der "unglaubliche Zug" der AfD, zeitgleich zur Demo eine spontane Fraktionssitzung einzuberufen, habe nur dazu geführt, dass "wir jetzt noch stärker sind!".

Und auch Tschentscher betonte: "Wir sind die Mehrheit, weil wir geschlossen sind und weil wir entschlossen sind, unser Land und unsere Demokratie nach 1945 nicht ein zweites Mal zerstören zu lassen."

Tausende Menschen haben am Freitagnachmittag die Hamburger Innenstadt gefüllt. Am Ende musste die Kundgebung für "die Gesundheit aller" frühzeitig abgebrochen werden.
Tausende Menschen haben am Freitagnachmittag die Hamburger Innenstadt gefüllt. Am Ende musste die Kundgebung für "die Gesundheit aller" frühzeitig abgebrochen werden.  © Jonas Walzberg/dpa

Patrick Esume bei "Hamburg steht auf": "Wut wird nicht die Lösung sein!"

Viele Teilnehmer kamen mit Plakaten und Bannern gegen die AFD zur Demo.
Viele Teilnehmer kamen mit Plakaten und Bannern gegen die AFD zur Demo.  © Madita Eggers/TAG24

Ein Appell speziell an die jüngeren Teilnehmer richtete Patrick Esume (49), Commissioner der European League of Football: "Es ist mir wichtig, besonders etwas an die nächste Generation mitzugeben: Bewahrt die Ruhe. Es sind emotionale Zeiten. Wut wird nicht die Lösung sein und hier zitiere ich Martin Luther King: 'Dunkelheit kann keine Dunkelheit vertreiben, nur Licht kann das'."

Ebenso könne nur Liebe Hass besiegen und nicht Hass. Im Sport werde das seiner Meinung nach schon gut umgesetzt, dort gebe es keine Unterschiede aufgrund von Religion, Kultur oder sexueller Orientierung: "Sport ist der Kleber der Gesellschaft!"

Die Botschaft am Freitag war bei allen klar: Hamburg lässt sich seine politische, ethnische, kulturelle und religiösen Vielfalt nicht nehmen und setzt ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke. Denen unter anderem Mitglieder der AfD und der Werteunion angehören, wie jetzt bekannt wurde.

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Auf mehreren Transparenten der Teilnehmenden wurde am Freitag auch ein Verbot der AfD gefordert. Mit den kürzlich publik gewordenen Deportations- und Vertreibungspläne sei die AfD endgültig eine "rechtsextreme Partei" geworden, wie es in dem Aufruf zur Kundgebung hieß.

"Meute"-Drummer: "Wir stehen für eine weltoffene, tolerante Gesellschaft"

Die "Meute" in der Menge am Jungfernstieg.
Die "Meute" in der Menge am Jungfernstieg.  © Madita Eggers/TAG24

Zur Demo aufgerufen hatten die Gewerkschaften DGB, ver.di, GEW, GdP, IG Metall, IG BCE, IG BAU, NGG und EVG sowie Fridays for Future, Religionsgemeinschaften, Kulturschaffende, Wirtschaftsverbände und weitere Vereine.

Musikalisch unterstützt wurde die Demo unter anderem von der Band "Meute".

Im Gespräch mit TAG24 erklärte Drummer Timon Fenner: "Wir wollen ein Zeichen gegen die AfD setzen und gegenüber rechtem Gedankengut und rechter Ideologien, weil wir das nicht nachvollziehen können." Und weiter: "Wir stehen für eine weltoffene, tolerante Gesellschaft."

Die Hamburger Band "Kettcar" musste ihr geplantes Mini-Konzert aufgrund des frühzeitigen Abbruchs der Kundgebung absagen.

Sänger Reimer Bustorff (52) hatte im Vorfeld gegenüber TAG24 seine Hoffnung geäußert, dass vielleicht noch mehr als die zunächst 7000 angekündigten Teilnehmer erscheinen werden, die Demo sei "absolut richtig".

Ursprünglich hatten die Veranstalter 4000 Teilnehmer angemeldet, aber aufgrund der "wahnsinnig großen Resonanz" wurde die Zahl schnell nach oben und am heutigen Freitag dann auf 10.000 korrigiert, so eine Sprecherin der DGB gegenüber TAG24. Mit den am Ende über 100.000 Teilnehmern habe niemand gerechnet.

Titelfoto: Madita Eggers/TAG24

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