Viel mehr als nur "Geschmiere": 100 Prozent legaler Graffiti-Bus fährt ab heute durch Hamburg
Hamburg - Ein knallbunter Graffiti-Bus der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) fährt ab heute durch den Hamburger Osten. Und ist gleichzeitig ein eher ungewöhnliches Ausstellungsstück des Museums für Hamburgische Geschichte. Unter dem Motto "Love & Peace" begleitet das kunterbunte Gefährt die Ausstellung "Eine Stadt wird bunt", die mit großem Erfolg die Entwicklung der Hamburger Graffiti-Szene im Zeitraum von 1980 bis 1999 zeigt.
"Für uns eine der erfolgreichsten Ausstellungen der letzten Jahre", betonte Matthias Seeberg, Pressesprecher des Museums für Hamburgische Geschichte, bei der Vorstellung des neuen Busses am Mittwoch. "Wir werden voraussichtlich bis Ende Mai 60.000 Gäste begrüßt haben. Was auch ein Anlass war, zu sagen, wir verlängern die Ausstellung noch bis zum 7. Januar nächstes Jahr!"
Mit dem "Riesenerfolg" hätte Oliver "Davis" Nebel, Graffiti-Künstler und Co-Kurator der Ausstellung "Eine Stadt wird bunt", nie gerechnet, wie er im Gespräch mit TAG24 verriet: "Ganz ehrlich? Es hat uns überrascht. Wir sind eher bescheiden in unserer Einstellung und hatten auf einen Monat Verlängerung gehofft."
Gleichzeitig seien Veranstaltungen wie diese ungeheuer wichtig für das Image der Graffiti-Kunst. "Auch nach 35 Jahren ist es immer noch etwas, was viele Leute nicht verstehen.
Wir sind aber sehr erfreut darüber, dass unserer Besucher so offen sind und sehen: 'Okay, das ist nicht einfach nur Geschmiere, sondern es hat Geschichte und Sinn.'"
Graffiti-Künstler betont: "Wir sind ganz normale Menschen, keine Raudis oder Vandalen!"
Dennoch bekomme Davis noch häufig die Frage gestellt, ob Graffiti denn überhaupt erlaubt sei. "Weil es in den Köpfen so drin ist, dass es verboten ist. Aber dann würde ich hier heute ja nicht stehen: Es ist zu 50 Prozent erlaubt und zu 50 Prozent verboten."
Für die Art der Aufklärung seien Gespräche mit den Sprayern am effektivsten. "Wir sind ganz normale Menschen, keine Raudis oder Vandalen, sondern Künstler, die einfach gerne große Flächen gestalten."
Wie zum Beispiel einen Bus. Früher nur auf illegalem Wege möglich, heute dank Aktionen wie "PaintBus" in Teilen legal. Seit den 1990er-Jahren wird der Schüler-Wettbewerb des Hamburger Verkehrsverbundes (hvv) alle zwei Jahre ausgeschrieben. Unter einem stets wechselnden Motto können Schüler die Außenfläche eines Linienbusses gestalten.
Der Graffiti-Bus wurde im Rahmen eines Workshops unter der Leitung von Davis als Sonder-PaintBus außerhalb des regulären Wettbewerbs ebenfalls von Schülerinnen gestaltet. Unter dem Oberthema "Peace & Love" (ausgewählt aufgrund des Ukraine-Krieges) konnten sich Amarise, Leoni und Ruby frei austoben.
In kürzester Zeit schafften es die Nachwuchs-Sprayerinnen, mit bunten Motiven wie Peace-Zeichen, Blumen und einer Manga-Figur einen echten Blickfang, aber auch eine fahrende "Message" zu kreieren.
"Graffiti und Nahverkehr hat eine lange gemeinsame Geschichte!"
"Graffiti und Nahverkehr hat ja eine lange gemeinsame Geschichte, nicht immer zur Freude der Verkehrsunternehmen", sagte Susanne Rieschick-Dziabas, Leiterin Marketing bei der Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein GmbH und der Schulprojekte im hvv, am Mittwoch.
"Ich freue mich ganz besonders, dass wir zum 30-jährigen Jubiläum nun wieder zeigen können, dass diese tolle Kunstform so viel konstruktives Potenzial hat, unsere Stadt ganz legal bunter zu gestalten und Farbe in gesellschaftliche Debatten zu bringen." Die Schülerinnen könnten stolz auf ihr Ergebnis sein.
Eine Meinung, die Leiter Davis teilt: "Graffiti ist eine Jugendbewegung und es wächst immer mit der Jugend nach", so der Künstler.
"Auch hier haben wir es so gemacht, dass wir unser Wissen an die Jugend weitergeben und die es dann später wiederum weitergeben können. Dadurch bleibt die Geschichte immer am Leben."
"Es ist mir ein großes Anliegen, das Museum in die Stadt zu bringen!"
Und diese beinhalte nicht einfach nur, eine Farbdose zu nehmen und loszusprayen, sondern viel Technik und Übung. "Die Graffitis, die Leute teilweise hässlich finden, sind oft die Anfänge von Künstlern, die einfach mal gemacht haben." Gebe es genug legale Flächen zum Ausprobieren, entstehe diese Problematik gar nicht.
Ein Bus sei schon mal ein guter Anfang. Genauso juckt es Davis in den Fingern, auch mal eine U-Bahn zu bemalen: "Es ist eine große Ehre, wenn das Graffiti nicht nur an einem Ort ist, sondern durch die Gegend fährt. Das ist ja auch die Philosophie von Zugmalern, dass das Bild zu den Leuten kommt."
Bettina Probst, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte, zeigte sich am Mittwoch ebenfalls begeistert von der Begleiterscheinung der Ausstellung: "Es ist mir ein großes Anliegen, das Museum in die Stadt zu bringen und die Stadt ins Museum zu holen. Das gestaltet sich immer ein bisschen schwierig, aber wir arbeiten daran, Präsenz zu zeigen und Farbe zu bekennen. Das machen wir jetzt im wahrsten Sinne des Wortes."
Besonders freue sie der große Zuspruch, gerade auch im Hinblick auf die baldige Schließung des Museums aufgrund von Baumaßnahmen. "Wir hoffen, dass wir dann genauso fulminant wieder anfangen, wie wir geendet haben."
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24