Streetart in Hamburg: Das hat es mit den Sprüche-Tellern auf sich
Hamburg - "Liebe ist ein Tuwort" oder "Mut!": Auf alte Kuchenteller gemalte Botschaften zieren zahlreiche Hauswände in Hamburg. Wer steckt dahinter?
Diese Fragen stellen Passanten immer wieder im Netz und posten Fotos der von ihnen entdeckten Teller. Die Spur führt zu einer Streetart-Künstlerin, die sich selbst "fraujule*" nennt und mehr als 300 ihrer in der Stadt bereits verteilten Teller - meist mit Blümchenmustern - beim sozialen Netzwerk Instagram präsentiert.
"Nicht käuflich" - dieser Hinweis ist der Enddreißigerin wichtig. Ihre Kunst solle für alle da sein, sagt die Hamburgerin, die anonym bleiben will. Sie wolle damit keinen Profit machen. Auch in Kiel und Berlin hat sie bereits ein paar Exemplare hinterlassen.
Ihre Teller bringt sie nachts an. Wie genau, das will sie nicht verraten. Sie suche sich bewusst Stellen aus, an denen möglichst wenig Ärger drohe, beispielsweise triste Betonwände von Unterführungen oder Hauswände, an denen viel Graffiti sei, betont "Frau Jule". Nach eigenen Angaben hatte sie bislang noch keine Probleme mit Hausbesitzern.
Passanten berichten von Anwohnern, die die Teller regelmäßig putzen, damit sie möglichst lange schön bleiben.
Mehr Teller-Kunst von "Frau Jule" auf Instagram
Reaktionen auf Teller sind zwiespältig
Die Reaktionen seien überwiegend positiv, berichtet "Frau Jule", während sie bei einem Spaziergang einige Exemplare an Fassaden zeigt. Immer wieder würden Teller aber auch geklaut oder zerstört.
"Wir haben uns total gefreut", erinnert sich Kathrin Plate, Inhaberin eines Modegeschäfts im Stadtteil Eimsbüttel, an den Augenblick, als sie den ersten Teller an der Fassade entdeckte.
Inzwischen seien es schon zwei - und die seien beliebte Fotomotive. Eine nicht weit entfernte Buchhandlung ließ sogar Lesezeichen anfertigen, auf denen der Teller an ihrer Hauswand abgebildet ist.
Viel verraten will "Frau Jule" nicht über sich. Kunst ist nur ihr Hobby, ihr Beruf ein ganz anderer. Sie stammt aus Nordrhein-Westfalen, ist großer Fan des Fußballvereins FC St. Pauli und gehört in Hamburg der linken Szene an.
Die alten Teller findet die blonde Künstlerin meist in Tauschhäusern. "Fiese Muster und am liebsten Kuchenteller", sind dabei ihre Auswahlkriterien. Ende 2019 klebte sie ihren ersten Teller an. Ob Sternschanze, St. Pauli oder Winterhude - inzwischen sind die Kunstobjekte in vielen Stadtteilen zu finden.
So kommen die Sprüche auf die Teller
Die kurzen, prägnanten Botschaften trägt sie mit Porzellan-Malfarbe auf. Sprüche wie "Schau mal über den Tellerrand" oder "Lesen ist sexy" finden sich genauso wie politische Botschaften, etwa "Kein Mensch ist illegal" oder "Gutmenschen aller Länder vereinigt Euch".
Sie wolle mit ihren bunten Tellern Hoffnung machen, sagt die Künstlerin. "Denn ich glaube, eine bessere Welt ist möglich."
Titelfoto: Markus Scholz/dpa