Kein Platz für Rassimus: Intendantin setzt radikal den Rotstift an

Hamburg - Das Hamburger OpernLoft zeigt die klassischen Opern in gerade einmal 90 Minuten. Nicht nur werden die historischen Brocken radikal gekürzt, nein, auch Frauen kommen in den neuen Inszenierungen deutlich besser weg. Warum das so wichtig ist, erklärte Intendantin Inken Rahardt im Gespräch mit TAG24.

Susann Oberacker - Künstlerische Betriebsleitung und. Intendantin/Regisseurin Inken Rahardt.
Susann Oberacker - Künstlerische Betriebsleitung und. Intendantin/Regisseurin Inken Rahardt.  © Silke Heyer

2006/2007 habe Inken Rahardt die kurzen Opern entwickelt. "Ich denke, 90 Minuten ist eine gute Zeitspanne, um sich auf was Neues einzulassen", erklärte die Regisseurin und Intendantin im Gespräch.

"Darum haben wir das gemacht. Dass man dieses Argument entkräftet: 'Oper ist immer eine Fünf-Stunden-Aktion.'"

Generell geben sich die Macherinnen Mühe, dass man die Menschen in das Geschehen miteinbezieht. "Dass man nicht nur dabei ist, sondern mittendrin. Das ist eine andere Erfahrung, wenn man die Opernsänger:innen so dicht bei sich spürt, das hört und von der Musik direkt erfasst wird", so Rahardt.

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Um nicht über die 90 Minuten hinaus zu singen, muss Inken Rahardt den Rotstift zücken und kürzen. Und das nicht zu knapp.

Ausschnitt aus der aktuellen immersiven Fußballoper. Im Fußball gebe es enorm viele Klischees, mit denen man spielen könne. "'Das ist eine total bescheuerte Mischung: Fußball und Oper', denkt man zuerst. Aber eigentlich ist beides ganz schön Drama und ganz schön viel Geschrei", erklärte Inken Rahardt.
Ausschnitt aus der aktuellen immersiven Fußballoper. Im Fußball gebe es enorm viele Klischees, mit denen man spielen könne. "'Das ist eine total bescheuerte Mischung: Fußball und Oper', denkt man zuerst. Aber eigentlich ist beides ganz schön Drama und ganz schön viel Geschrei", erklärte Inken Rahardt.  © Inken Rahardt

"Wir sehen die Werke nicht mehr so heilig"

Geschäftsführerin Yvonne Bernbom (v.l.n.r.), Susann Oberacker, Inken Rahardt.
Geschäftsführerin Yvonne Bernbom (v.l.n.r.), Susann Oberacker, Inken Rahardt.  © Silke Heyer

Das radikale Kürzen sei der studierten Sängerin zunächst schwergefallen, verriet sie im Interview. "Aber mit der Zeit und auch mit der Entwicklung, die ich gemacht habe - auch als Regisseurin - fällt es mir mittlerweile sehr leicht zu sehen, wo der Kern der Geschichte ist."

Rahardt streiche nicht einfach nur, sondern zerteile die Oper und baue sie dann Stück für Stück, wie ein Puzzle, neu zusammen. "Diese Arbeit muss man machen, sonst ist es einfach eine Kürzung und es ergibt nichts."

Das schwierigste Werk bislang? Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" von 1857. Ein 16-stündiges Epos. "Da muss man natürlich wahnsinnig viel weglassen."

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Für Diskriminierung ist im OpernLoft kein Platz. "Wir singen das nicht einfach so, wie es geschrieben wurde. Das, was rassistisch oder frauenfeindlich ist, können wir bearbeiten und wegnehmen." Das sei manchmal schwer für die Traditionalisten auszuhalten, aber die könnten dann ja auch in die anderen Inszenierungen gehen.

"Wir sehen die Werke nicht mehr so heilig. Das ist unser Rohmaterial, damit erzählen wir eine Geschichte von heute mit der Musik, die damals komponiert wurde." Das funktioniere, weil es sich eben um Meisterwerke handele. "Wäre das schlechte Musik, würde das nicht laufen." Die Libretti seien hingegen häufig keine guten Texte.

Oper müsse dringend bearbeitet werden

Mehrmals musste das OpernLoft seit seiner Eröffnung innerhalb der Stadt umziehen. Jetzt findet Ihr das Privattheater im Alten Fährterminal Altona.
Mehrmals musste das OpernLoft seit seiner Eröffnung innerhalb der Stadt umziehen. Jetzt findet Ihr das Privattheater im Alten Fährterminal Altona.  © Inken Rahardt

Die Oper müsse entsprechend dringend bearbeitet und an das Heute angepasst werden.

"Ich schaue mir keine Opern an, die mich mit ins 19. Jahrhundert nehmen wollen. Was soll ich da? Ich möchte mich in andere Menschen, andere Sichtweisen hineinversetzen können. Das öffnet mir den eigenen Horizont. Das ist mir ganz wichtig. Ich will mich nicht nur erfreuen lassen."

Oper sei eine Kunstform für Menschen von heute und solle auch noch in Zukunft für Menschen etwas bewegen.

"Ich hoffe, es ist ein Weg, um die Oper relevant zu halten, und die Menschen vom Sofa hoch, weg vom Streamingdienst zu holen und zu sagen: 'Du verpasst etwas, wenn du nicht in die Oper gehst.'"

Titelfoto: Silke Heyer

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