"Nachtschicht"-Betreiberin kriegt eigene Artwalk-Figur auf dem Hamburger Kiez
Hamburg – Micky Hensel ist die lebenslustige und ausdrucksstarke Betreiberin einer der bekanntesten Bars auf dem Hamburger Kiez. In der "Nachtschicht" in der Gerhardstraße steckt Micky – wie sie von ihren zahlreichen Stammkunden genannt wird – seit über 15 Jahren all ihr Herzblut. Für ihre Leidenschaft und ihr Engagement für den Stadtteil St. Pauli hat Künstler Ralf Leidinger im Rahmen des alljährlichen ausgestellten Artwalks des "Business Improvement District (BID) Reeperbahn+" der Wirtin eine eigene Figur gewidmet.
Seit 2017 schmückt der Artwalk aus inzwischen 14 Figuren von verschiedenen Persönlichkeiten den Hans-Albers-Platz, die Reeperbahn, die Große Freiheit und in Teilen auch den Beatles-Platz.
Die lebensgroßen Abbilder von Udo Lindenberg (77), Olivia Jones (53) und Co. erhalten in diesem Jahr zum allerersten Mal Zuwachs über eine bundesweite Ausschreibung. Das BID Reeperbahn + hatte im April Künstler:innen und ihre Ideen für neue Figuren gesucht.
Der Artwalk soll Touristen und Einheimische daran erinnern, dass St.Pauli nicht nur eine Kulisse ist, sondern "von Menschen geprägt wurde und immer noch wird", wie Quartiersmanagerin Julia Staron (52) am Donnerstag bei der feierlichen Enthüllung der Gewinnerfigur betonte.
Ralf Leidingers Darstellung von Micky Hensel hat nicht nur die Jury aus bekannten Hamburger:innen, sondern auch das Online-Publikum begeistert – die Likes auf Instagram waren maßgeblich an der Entscheidung beteiligt.
Als Wirtin der "Nachtschicht" erfreut sich Micky seit Jahren an großer Beliebtheit auf dem Kiez. Als Figur ab dem 11. Juli auf dem Hans-Albers-Platz vertreten zu sein, ist für sie eine große Ehre und irgendwo auch "schon sehr geil", wie Micky im Gespräch mit TAG24 betonte.
Micky über ihre beliebte Bar: "Ich sage immer, die 'Nachtschicht' ist für uns alle das pinke Wohnzimmer!"
Doch was macht ihre Bar eigentlich so besonders? "Ganz klar die Farbe Pink, das ist meine Lieblingsfarbe. Ich sage immer die 'Nachtschicht' ist für uns alle das pinke Wohnzimmer", so Micky.
"Eben auch anders als diese ganzen Ballerbuden und dieser Mainstream, der jetzt direkt auf der Reeperbahn stattfindet. Irgendeine Schlagerbude neben dem nächsten Kiosk, neben dem nächsten Dönerladen. So sind wir nicht und so wollen wir auch nicht ein!"
Die Wirtin ist genervt von der aktuellen Entwicklung auf St. Pauli und wünscht sich den "ursprünglichen Kiez" zurück, den man nur noch an wenigen Orten, wie zum Beispiel in ihrer Bar, finden würde.
Statt auf möglichst viel Umsatz setze sie lieber auf Zwischenmenschlichkeit und ein "vernünftiges" Publikum, welches das Umfeld ihrer Bar noch zu schätzen weiß: "Die Sauberkeit, der gepflegte Umgang und vernünftige Preise. Bei uns wird definitiv niemand über den Tisch gezogen", betont Micky.
"Und wir haben natürlich auch immer ein offenes Ohr für unsere Gäste, in guten wie in schlechten Zeiten", so die Kult-Wirtin.
"Kunst lebt ja erst mit dem, dass es von Menschen aufgenommen wird!"
Trotz ihres guten Rufes kannte Künstler Ralf Leidinger Micky tatsächlich gar nicht, was vermutlich seiner Herkunft geschuldet ist.
Der gebürtige Rheinland-Pfälzer ist durch Stephan Krüll von der Hamburger "popstreet.shop"-Galerie auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht worden und hat sich dann mithilfe von Videos und Fotos ein Bild von Micky gemacht. Entstanden ist eine Figur im Pop-Art-Stil, verbunden mit Leidingers eigens erfundener "Streifentechnik".
"Das Schwierige war für mich, dass ich normalerweise alles in Schwarz-Weiß mache, also Yin und Yang, aber die Micky hat gesagt: 'Schwarz ist nicht meine Welt, ich bin Pink und Rosa'. Dann musste ich umdenken und die Balance finden, aber ich denke, ich habe es ganz gut hinbekommen." Für die Präsentation seiner Figur ist Leidinger extra 700 Kilometer aus seiner Heimat angereist, aber auch, weil die Hansestadt sein Herz gewonnen hat.
"Die Menschen sind hier so herzlich. Kunst lebt ja erst mit dem, dass es von Menschen aufgenommen wird und dass ich das jetzt gewonnen habe, ist echt abartig", sagte Leidinger gegenüber TAG24.
"Ich bin so dankbar, dass ich das mitnehmen darf. Viele Künstler erhalten diese Möglichkeiten gar nicht und ich bin jetzt immer hier zu sehen, das ist schon cool. Wenn ich irgendwann mal gehe, habe ich einen Zeitstempel hinterlassen."
Auf den Rückseiten der Figuren steht ihre jeweilige Geschichte und ihre Funktion auf St. Pauli
Neben Leidinger haben noch sechs weiter Künstler:innen Entwürfe eingereicht. "Wir haben tatsächlich in der Jury-Sitzung überlegt, ob wir jetzt Jahr für Jahr auch die anderen Figuren umsetzen. Haben uns dann aber doch dagegen entschieden, weil wir der Meinung sind, dass sich die Welt weiterdreht und neue Menschen und Themen dazukommen", erklärte Julia Staron am Donnerstag. Geplant sei Postkarten aus den anderen Ideen zu gestalten.
Unter ihnen auch Andreas Muhmes Entwurf von Kareem Ahmed und seiner Schwester Nassy-Ahmed-Buscher, den Gründern der "Silbersackhood"-Initiative.
Diese setzt sich mithilfe von Kampfsport-Training für die Förderung von Bildung, Integration und sozialer Gerechtigkeit auf St. Pauli ein. "Ich habe gedacht, das ist mal eine andere Seite von St. Pauli, die auch gesehen werden muss", so Künstler Muhme gegenüber TAG24.
Künstlerin Anna Genger hat ihre gute Freundin und Queen des Burlesque auf St. Pauli, Eve Champagne, künstlerisch verewigt. "Sie kombiniert auf eine wunderbare Weise Weiblichkeit und Rock ’n’ Roll und steht für Humor, Intelligenz, Tiefe und Präsens. Ich finde, das hat ganz viel mit St. Pauli zu tun."
Gefördert wird der Artwalk unter anderem vom Neustartfond der Stadt Hamburg. Ab dem 11. Juli können die unterschiedlichen Figuren bei einem Spaziergang durch das Viertel bewundert werden. Mickys Figur wird erst einmal vor dem großen Herz auf dem Hans-Albers-Platz stehen bleiben. Auf den Rückseiten der Figuren steht ihre jeweilige Geschichte und ihre Funktion auf St. Pauli. Über einen QR-Code sind weitere Details abrufbar.
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24