Autorin Nadia Shehadeh rechnet mit Girlbossen ab: Eine feministische Ode ans Faulsein

Hamburg – "Es wird ein Abend, der polarisieren wird und uns vielleicht dazu bringt, unsere Arbeitseinstellung zu hinterfragen." Mit diesen Worten kündigte Filialleiterin Nicola Kagelmann am Donnerstagabend die Lesung von Autorin Nadia Shehadeh (42) in der Thalia Buchhandlung in der Hamburger Europa Passage an. Dort gab die hauptberufliche Soziologin dem überwiegend weiblichen Publikum Einblicke in ihr erstes Buch "Anti-Girlboss: Den Kapitalismus vom Sofa bekämpfen".

Autorin Nadia Shehadeh (42) las am Donnerstagabend im "Thalia" in der Hamburger Europa Passage aus ihrem Buch "Anti-Girlboss: Den Kapitalismus vom Sofa bekämpfen" vor.
Autorin Nadia Shehadeh (42) las am Donnerstagabend im "Thalia" in der Hamburger Europa Passage aus ihrem Buch "Anti-Girlboss: Den Kapitalismus vom Sofa bekämpfen" vor.  © Madita Eggers/TAG24

Es war das erste Mal, dass Nadia Shehadeh live aus ihrem Buch vorlas. Wie die Autorin gegenüber TAG24 verriet, war es keine leichte Entscheidung, die richtigen Kapitel dafür auszuwählen. Gerade bei einem Sachbuch mit vielen Fakten und Zahlen.

Den Reaktionen des Publikums nach zu urteilen, wählte die 42-Jährige genau die richtigen. Es wurde gelacht, zustimmend genickt und applaudiert. Passenderweise zog Shehadeh ihre Zuhörer*innen direkt mit dem Prolog ihres Buches in den Bann. Wobei ihr sicher auch ihr lockerer Schreibstil half, der die Leser*innen direkt anspricht.

Ihr Buch sei voller Ideen. Ideen, die eine deutlich andere Richtung einschlagen als die der sogenannten "Girlbosse". Also Frauen, die sich in einer männerdominierten Welt durchgesetzt und Karriere gemacht haben und gerne suggerieren, dass jede ihnen nacheifern kann.

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Das sei in einer von sozialer Ungerechtigkeit geprägten Welt eine reine Illusion, sagte Nadia Shehadeh schon im Vorfeld im Gespräch mit TAG24.

"Frauen haben immer schon unfassbar viel gearbeitet und geleistet - bezahlt und unbezahlt!"

Autorin Nadia Shehadeh nahm sich Zeit, um genau auf die Fragen ihrer Gäste einzugehen.
Autorin Nadia Shehadeh nahm sich Zeit, um genau auf die Fragen ihrer Gäste einzugehen.  © Madita Eggers/TAG24

Durchschnittlich und damit glücklich zu sein, ist einer der vielen Denkanstöße in Shehadehs Buch. Weg von dem Leistungsgedanken und dem Leistungsdruck. Gerade Frauen hätten es verdient, einfach mal faul sein zu dürfen. Stattdessen wird heutzutage immer nur mehr verlangt: Frauen sollen am besten Karriere machen, dem Kapitalismus dienen und natürlich auch noch bei Haushalt und Kind glänzen.

Dabei war es ihnen vor gut 50 Jahren noch nicht mal erlaubt, ohne Unterschrift des Mannes überhaupt arbeiten zu können. "Frauen haben immer schon unfassbar viel gearbeitet und geleistet - bezahlt und unbezahlt", so die Autorin. "Wir sehen es bei Themen wie dem Gender-Pay-Gap und der Altersarmutsprognose bei Frauen, dass es nicht individuelle Entscheidungen sind, die zu diesen Problemen führen. Sondern die Strukturen des Systems."

Und wenn Frauen mal faul auf dem Sofa dargestellt werden, dann immer nur aus irgendwelchen Schreckensszenarien heraus. Meistens ist es Liebeskummer, der Charaktere wie "Bridget Jones" mit XXL-Eisbecher und Kuscheldecke auf die Couch zwingt. Einfach so faul herumliegen? Ein Unding, gerade für Frauen.

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"Die meisten Anti-Heldinnen der Pop-Kultur bringen irgendeinen großen Vorzug mit. Aber warum braucht es die eigentlich immer?" Für Nadia Shehadeh ist Faulsein ein Grundbedürfnis.

Autorin Nadia Shehadeh bei Instagram

Auch im Freizeitbereich gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Die Soziologin hat auch im Freizeitbereich Unterschiede zwischen Männern und Frauen festgestellt. "Ich sehe das bei meinen Brüdern", sagte sie am Donnerstag. Ein Wochenende vor der Playstation vergammeln, sei bei Männern ein anerkanntes Hobby, bei Frauen noch ein Tabuthema.

Trotz ihrer inneren Widerstände, die Nadia Shehadeh selbst beim Schreibprozess aufarbeiten musste, scheint die Autorin "ohne Ambitionen, aber mit Antrieb" einen Nerv getroffen zu haben. Auf Nachfrage, wer seinen Traumjob lebe, hoben nur wenige die Hand. "Die Lebensrealität der allermeisten Menschen ist: Man arbeitet, weil man muss", so Shehadeh. Und warum dann nicht wenigstens pünktlich Feierabend machen?

Auf die Frage einer Zuhörerin, ob sie bei einem vermeintlichen Lottogewinn sofort kündigen würde, antworte Shehadeh vehement mit "Ja!". "Ich würde dann ganz viel Quatsch machen, wie richtig schlecht malen oder ein Instrument spielen. Ohne daran zu denken, ob sich der Einsatz lohnt."

Aber bis es so weit ist, riet sie ihren Zuhörer*innen: "Bei jedem Schläfchen 'Widerstand' denken!"

Titelfoto: Madita Eggers/TAG24

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