"Auftakt des Terrors" in Hamburg: "Alles gegen das Vergessen, Verdrängen und Leugnen!"
Hamburg – Vor 90 Jahren übernahmen die Nationalsozialisten in Deutschland die Regierung. Bei der Durchsetzung ihrer Macht spielten die Konzentrationslager eine zentrale Rolle. Auschwitz oder Buchenwald sind vielen Menschen ein Begriff, doch die wenigsten haben schon einmal von den frühen KZs gehört, die bereits ab 1933 betrieben wurden. Um diese bis heute weitgehend unbekannte Geschichte aufzuarbeiten, zeigt das Museum für Hamburgische Geschichte in Kooperation mit der Stiftung "Hamburger Gedenkstätten und Lernorte" ab dem heutigen Mittwoch die Wanderausstellung "Auftakt des Terrors."
Was viele Hamburger und Hamburgerinnen vielleicht gar nicht wissen: Auch in ihrer Heimatstadt gab es mehrere Konzentrationslager. 1933 ließ der damalige Polizeisenator Alfred Richter im März das KZ Wittmoor einrichten, im September 1933 folgte die Eröffnung des KZ Fuhlsbüttel. Allein hier starben bis zur Befreiung im Mai 1945 250 Männer und Frauen.
"Sie erlagen den Folgen ihrer Misshandlungen, sie wurden ermordet oder in den Tod getrieben", sagte Anna Gallina (39, Die Grünen), Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, in ihrer Rede bei der Eröffnungsveranstaltung am Dienstagabend.
"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir aufklären müssen. Wir müssen erinnern, und wir müssen Wissen teilen. Gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt."
Für diesen Zweck setzt sich die Senatorin auch dafür ein, dass ein Haftgebäude der heutigen JVA Fuhlsbüttel, auf dessen Gelände sich das KZ befand, der Gedenkstättenarbeit zugänglich gemacht wird.
Die frühen Konzentrationslager waren Gefängnisse für politische Gegner
"Wenn wir heute von Konzentrationslagern sprechen, haben wir in der Regel Vernichtungslager wie Auschwitz vor Augen, vielleicht auch noch die Arbeitslager in Dachau und Sachsen. Das heißt, unser Bild von Lagern ist stark von den Zuständen aus der letzten Phase dieses Terror-Instruments seit 1942 geprägt", sagte Prof. Dr. Kirsten Heinsohn, stellvertretende Direktorin der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, am Dienstag. Im Schatten der "Monstrosität" dieser Lage gerate leicht in Vergessenheit, welche Funktion die frühen KZs von 1933 bis 1935 hatten.
"Sie waren Gefängnisse für die politischen Gegner des Nationalsozialismus." Anfangs waren diese Lager nichts anderes als Keller oder Scheunen. Erst später wurden die Lager systematisiert. Sie sollten vor allem zur Einschüchterung der politischen Gegner dienen und waren im Gegensatz zu den späteren KZs der Öffentlichkeit bekannt.
Durch ihre Nähe zu den Städten teilweise sogar im Alltag integriert. Selbst die Presse berichtete ausführlich über die Vorgänge in den Lagern – verharmlost natürlich.
Bernhard Esser über den vertuschten Totschlag seines Onkels im KZ Fuhlsbüttel
Da die Ausstellung eine Zusammenschau mehrerer Biografien in frühen Konzentrationslagern in ganz Deutschland ist, war es nicht möglich, genauer auf die beiden Hamburger KZs einzugehen. Für genauere Einblicke war Bernhard Esser am Dienstag eingeladen, dieser leistet seit Jahren Aufklärungsarbeit.
Sein Onkel Alwin Esser und sein Vater wurden 1933 ins KZ Fuhlsbüttel gebracht, sein Onkel wurde noch an dem Tag seiner Einlieferung totgeschlagen. Mit am schlimmsten für die Familie Esser war die Tatsache, dass die Gestapo den Tod mithilfe des Arztes Ulrich Schnappauf als Suizid verschleierte. Keine Seltenheit unter dem Terror-Regime der Nazis.
Das Schicksal seines Onkels machte Esser 2012 bei einer Rede in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme öffentlich. Mit prompten Reaktionen: "Ich habe einen bitterbösen Brief von Ulrich Schnappauf Junior bekommen. Sein Vater hatte den Totschlag meines Onkels manipuliert und umgeschrieben, und der wollte mir jetzt ans Leder", sagte Esser im Gespräch mit TAG24.
"Ich solle Zeugen beibringen, die das damals gesehen haben. Und das 2012. Ich habe mich dann an den Leiter der KZ-Gedenkstätte gewandt, und der meinte zu mir: 'Bernie, guck doch mal im Stadtarchiv'." Und dort fand Esser tatsächlich die Beweise für die Ermordung seines Onkels. "Ab da habe ich mich noch mehr reingekniet!"
Ein weiterer Auslöser für seinen Wunsch, die Geschichte seiner Familie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, war die stetige Angst seines Vaters. "Als ich aktiv werden wollte, hat er mit mir gesprochen und meinte 'Bernie, lass die Hände davon. Wenn die Nazis wieder an die Macht kommen, bist du einer der ersten'. Da habe ich erst gemerkt, wie schlimm seine Angst noch war."
Deswegen seien Veranstaltungen wie "Auftakt des Terrors" so bedeutend: "Alles gegen das Vergessen, Verdrängen und Leugnen ist wichtig. Die AFD ist die stärkste Partei in den neuen Bundesländern, stellen Sie sich das mal vor. Das hätte ich nach dem Gespräch mit meinem Vater für unmöglich gehalten!"
Die Ausstellung "Auftakt des Terrors" kann noch bis zum 29. März täglich von 10 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr im Museum für Hamburgische Geschichte besucht werden. Dienstags ist Ruhetag.
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24