Nach Amoklauf in Hamburg: Razzia bei Mitarbeiter der Waffenbehörde
Hamburg - Im Zusammenhang mit dem Amoklauf bei den Zeugen Jehovas in Hamburg mit acht Toten und neun Verletzten wird gegen einen Mitarbeiter der Waffenbehörde sowie drei Mitglieder des Schießclubs des Täters Philipp F. (†35) ermittelt.
Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wurden daher am heutigen Donnerstag zehn Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Dabei sei auch das Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) involviert gewesen.
Durchsucht wurden die Wohnanschriften der vier Verdächtigen, der Arbeitsplatz des Mitarbeiters der Waffenbehörde sowie Räumlichkeiten des Hanseatic Gun Clubs, in dem der Täter Mitglied gewesen war und trainiert hatte.
Es geht dabei um folgende Vorwürfe. Gegen den Mitarbeiter der Waffenbehörde, die in Hamburg der Polizei untergeordnet ist, wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in sechs Fällen, der Täter selbst sowie der von ihm getötete sieben Monate alte Fötus werden bei der Zählung herausgerechnet, sowie der fahrlässigen Körperverletzung im Amt in 14 Fällen ermittelt.
Der Mann soll zwar Informationen über Phillipp F. von einem Mitarbeiter des Hanseatic Gun Clubs, der ebenfalls als Beschuldigter geführt wird, aus dem familiären Umfeld den späteren Amokläufer halten haben, diese aber weder dokumentiert noch ordnungsgemäß innerhalb der Waffenbehörde weitergeleitet haben.
Stattdessen soll er angeregt haben, ein anonymes Schreiben an seine Behörde angeregt haben. Dieses ging am 24. Januar diesen Jahres ein und wurde zunächst von dem Verdächtigen bearbeitet. Dass er es selbst "als Form der Benachrichtigung vorgeschlagen hatte und um mögliche Urheber sowie weitere Hintergründe des Schreibens wusste", habe er verschwiegen.
Also ordnete der zuständige Sachgebietsleiter der Waffenbehörde eine unangekündigte Aufbewahrungskontrolle für die im Besitz von Phillipp F. befindliche Schusswaffe an, "anstatt sich gezielt weitere Informationen zu verschaffen und die Schusswaffe nebst Munition sodann umgehend sicherzustellen".
Das wird den Mitgliedern des Schießclubs vorgeworfen
Außerdem wird gegen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses des Schießclubs wegen des Anfangsverdachts der Falschbeurkundung im Amt ermittelt. Sie sollen ihm ein "blanko" auf den 28. April 2022 datiertes Sachkundezeugnis ausgestellt haben.
"Tatsächlich soll Phillipp F. die praktische Sachkundeprüfung am 28. April 2022 jedoch nicht bestanden haben", heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Laut Waffengesetz sind eine theoretische Prüfung sowie eine praktische Prüfung mit Schießübungen vorgeschrieben.
Obwohl Phillipp F. durchgefallen war, sollen weder eine erneute Anmeldung zur Prüfung, noch die Prüfung selbst erfolgt sein. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll stattdessen ein Mitglied der Prüfungskommission am 24. Oktober 2022 eine "im Hanseatic Gun Club angeblich erfolgreich verlaufene 'Nachprüfung' vorgenommen haben". Diese sei mit dem Sachkundezeugnis vom 28. April 2022 gegenüber der Waffenbehörde dokumentiert worden.
Unter diesen Voraussetzungen hätte der spätere Amokläufer im Dezember 2022 keine Waffenbesitzkarte erhalten dürfen. Damit hätte er ebenfalls keine Pistole besitzen dürfen.
Anscheinend ist das Vorgehen des Prüfungsausschusses aber kein Einzelfall. In einer Vielzahl von Fällen, wie viele nannte die Staatsanwaltschaft nicht, sollen unzutreffende Sachkundezeugnisse ausgestellt worden.
Erstmeldung: 13.26 Uhr. Zuletzt aktualisiert: 14.11 Uhr.
Titelfoto: Christian Charisius/dpa