"Bulgarian Cartrader" auf dem Reeperbahn-Festival: "Indie ist die beste Mucke"
Hamburg - Aktuell tummeln sich auf dem "Reeperbahnfestival" zahlreiche und vielversprechende Newcomer. Einer von ihnen ist "Bulgarian Cartrader" alias Daniel Stoyanov (36), der in Bulgarien geboren und in Berlin sozialisiert wurde. Im TAG24-Interview spricht er über seine Wurzeln, die Auftritte mit "Seeed" und erklärt, warum Indie das beste Genre ist.
TAG24: Wie war Dein Auftritt im "Uwe" gestern für Dich?
Daniel Stoyanov: "Ich musste mich erst mal daran gewöhnen, dass von allen Ecken Musik kommt. Man baut irgendwo sein Zeug auf und rennt dann sofort auf die Bühne. Man brennt da schon ganz schön, aber es hat auch seine schönen Zeiten: Man spürt quasi den Wind um die Ohren und bewegt sich irgendwie."
TAG24: Konntest Du schon Unterschiede zwischen dem Hamburger und dem Berliner Publikum feststellen? Man hört ja oft, die Berliner wären nicht so leicht zu begeistern.
Stoyanov: "Um ehrlich zu sein, es ist noch ein sehr frisches Projekt und es sind meine ersten Gigs als 'Bulgarian Cartrader'. Ich tue mich auch immer schwer damit, Publika zu vergleichen. Es kann auch von der Location oder Zeit abhängen. Natürlich ist die Hamburger Mentalität eine andere, aber gerade, wenn du deine Base in Berlin hast, sind die Konzerte dort sehr schön und emotional."
TAG24: Eines Deiner neuen Lieder hast Du nach der typischen bulgarischen Weinsorte "Mavrud" benannt, vermisst Du Deine Heimat sehr?
Stoyanov: "Ich schöpfe sogar ein bisschen aus diesem sentimentalen Vermissen. Die letzten drei Jahre war ich aufgrund von Corona nicht zu Hause, aber davor regelmäßig. Ich fühle mich sehr verbunden mit dem Land, spreche die Sprache und kenne die Leute. Ich habe ein kleines Kind und denke oft: 'Jetzt müsstest du echt mal für ein halbes Jahr oder so da wohnen und gucken, wie es ist, wenn sich der Alltag einpendelt'."
TAG24: In Deiner Spotify-Bio steht: "Irgendwann komme ich zurück und baue hier ein Studio und mittendrin meine Mercedes-E-Klasse." Ist damit Bulgarien gemeint?
Stoyanov: "Ich habe tatsächlich einen sehr konkreten Traum, dass ich in Bulgarien permanent leben, arbeiten und schaffen will. Jetzt gerade macht es noch keinen Sinn, ich bin in Deutschland aufgewachsen und hier auch sozialisiert, aber wenn ich irgendwann mal meinen komplett eigenen Arbeitsort schaffe und auch das Geld dafür habe, finde ich es sehr reizvoll, dass in Bulgarien zu machen."
TAG24: Gibt es denn große Unterschiede zwischen der bulgarischen und deutschen Musikszene?
Stoyanov: "Ich glaube, dass es Länder wie Bulgarien allgemein schwer haben. Es gibt eine gewisse Art von Pop-Musik, wo manche Leute ihren Sommerhit haben und damit auf Konzertreise durchs Land ziehen. Das ist natürlich nicht sehr innovativ. Ich als 'Bulgarian Cartrader' bin bestimmt aktuell der Einzige auf dem internationalen Indie-Markt, der das Wort 'Bulgarien' im Namen trägt und dieses auch repräsentiert.
Das ist jetzt gar nicht böse gemeint, aber der Westen hat seine Fantasie vom Balkan, meist Schnaps, Hochzeiten und Tanz. Diese Begrenzung ist natürlich schade und wenn ein Projekt wie meins sich entwickelt, finde ich es interessant zu sehen, ob man sich dann besser connecten kann."
TAG24: Wie kam es dazu, dass Du dieses Album komplett selbst produziert hast?
Stoyanov: "Wenn ich Sachen produziere und vorantreibe, dann erfüllt mich das einfach. Es steckt dieser gesunde Gedanke dahinter, dass ich das jetzt nur für mich mache und dabei Freude an der Kunst habe. Ich möchte Spuren hinterlassen, auf die ich auch stolz bin.
Und irgendwann wollte ich das Album auch einfach fertigmachen und nicht nur als Demo herumreichen. Da sagt dir dann sowieso jeder: 'Hier fehlen noch fünf Prozent' und das ist vollkommener Quatsch. Es lebe der Künstler, der komplett sein eigenes Ding macht. Deswegen mache ich auch Indie. Die interessanteste Mucke wird immer aus dem Indie-Genre kommen und die Pop-Musik in dem Sinne bereichern."
TAG24: Du hast auch schon für andere Künstler unter anderem "Seeed" geschrieben. Hast Du noch Kontakt zu den Jungs?
Stoyanov: "Wir sind über die Jahre echt gute Freunde geworden. Die letzten Konzerte war ich auch mit auf der Bühne und habe bisschen mitgesungen. Es ist die absolute Kehrseite des Spektrums: Wenn man sich überlegt, wie ich mit meiner Band irgendwo in einem windigen Flur Indie-Zeug aufbaue und dort kommt einfach nur der Tour-Manager und sagt: 'Noch 15 Minuten'. Dann trinkst du deinen Rum aus und gehst auf die Bühne, wo schon alles aufgebaut ist. Aber um ehrlich zu sein, 20.000 Menschen ist extrem anonym und überhaupt nicht zu vergleichen mit einem Gig vor 100 Menschen."
TAG24: Das klingt nicht so, als wären großen Touren Dein Ziel?
Stoyanov: "Ich würde das gerne ehrlich beantworten und das ist schwierig: Alle, die Musik machen, wollen nach oben. Aber es gibt ja verschiedene Arten von 'oben': Wenn ich jetzt eine Tour mit 1000er-Locations mache, ist das für mich mega krass und auf vielen Ebenen einfach ausreichend."
"Bulgarian Cartrader" spielt am heutigen Donnerstagabend um 23.20 Uhr im "Grünen Jäger".
Titelfoto: Roberto Brundo