Streit um die Einschulung in Thüringen: Wer hat das letzte Sagen? Eltern oder Schule?

Erfurt - Im Thüringer Landtag wird derzeit eine Novelle des Schulgesetzes beraten. Die CDU-Fraktion drängt darauf, dass Eltern statt Schulleitungen die finale Entscheidung treffen, ob ihr Kind ein Jahr später als geplant eingeschult wird. Das Bildungsministerium ist dagegen.

Eltern können in Thüringen zwar beantragen, dass ihr Kind erst ein Jahr später eingeschult wird. Die Entscheidung darüber treffen jedoch andere. (Symbolbild)
Eltern können in Thüringen zwar beantragen, dass ihr Kind erst ein Jahr später eingeschult wird. Die Entscheidung darüber treffen jedoch andere. (Symbolbild)  © Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Ob ein Kind später eingeschult wird, das sollen nach Ansicht von Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (69, Linke) weiter die zuständigen Schulleitungen und nicht die Eltern final entscheiden. "Die Entscheidung kann so aufgrund professioneller Einschätzungen getroffen werden", sagte Holter der Deutschen Presse-Agentur. Es brauche gute und nachvollziehbare Gründe, um ein Kind bei der Einschulung um ein Jahr zurückzustellen.

Auf Basis des Thüringer Schulgesetzes können Eltern zwar beantragen, dass ihr Kind erst ein Jahr später als geplant eingeschult wird. Die Entscheidung darüber treffen allerdings andere.

Im Gesetz heißt es dazu in Paragraf 18: "Die Entscheidung trifft der Schulleiter, insbesondere auf der Grundlage der schulärztlichen Untersuchung." Direktorinnen und Direktoren wie auch Amtsärzte haben in solchen Fällen also einen größeren Einfluss als Eltern. Im Regelfall werden Kinder in Thüringen im Alter von sechs Jahren eingeschult.

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Im Landtag wird derzeit eine Novelle des Schulgesetzes beraten. Die CDU-Landtagsfraktion fordert, den Eltern das Recht zur letzten Entscheidung dazu zu übertragen, ob ihre Kinder erst im Alter von sieben Jahren eingeschult werden oder nicht. Immerhin würden die Eltern ihre Kinder deutlich besser kennen als alle anderen, sagte CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner (40).

Holter: "Eine pädagogische Rolle rückwärts ins 20. Jahrhundert"

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (69, Linke) hält offenbar nicht viel von den Vorschlägen der CDU-Landtagsfraktion. Seiner Ansicht nach sollten weiterhin die Schulleitungen final entscheiden, ob ein Kind später eingeschult wird. (Archivbild)
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (69, Linke) hält offenbar nicht viel von den Vorschlägen der CDU-Landtagsfraktion. Seiner Ansicht nach sollten weiterhin die Schulleitungen final entscheiden, ob ein Kind später eingeschult wird. (Archivbild)  © Bodo Schackow/dpa

Holter warf der CDU-Landtagsfraktion vor, mit ihren Vorschlägen "eine pädagogische Rolle rückwärts ins 20. Jahrhundert" machen zu wollen.

Nach Angaben des Bildungsministeriums ist die Zahl der Thüringer Kinder, die nicht wie vorgesehen eingeschult, sondern zurückgestellt werden, seit Jahren ziemlich konstant. Zwischen dem Schuljahr 2012/2013 und dem Schuljahr 2021/22 pendelte sie zwischen 6,0 und 6,8 Prozent aller Kinder, die im jeweiligen Jahr am 1. August sechs Jahre alt waren.

Ein Sprecher des Bildungsministeriums sagte, schon seit 2003 entschieden in Thüringen die Schulleitung über die Rückstellung von Kindern. Zwar sei es richtig, dass Eltern ihre Kinder einschätzen könnten. Die Einschätzungen der Eltern zu ihren Kindern gründeten sich allerdings vordergründig auf deren Beobachtungen im privaten Bereich.

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"Wie sich ein Kind in einem schulischen Kontext einbringt und sich in diesem orientiert, ist generell im Vorfeld des Schulbesuchs schwer einzuschätzen", sagte der Sprecher.

Schulleitungen und Lehrkräfte würden dazu über langjährige Erfahrungen verfügen, die sie in die Lage versetzten, über Einschulung oder Zurückstellung zu entscheiden.

Bildungsministerium verweist auf Schuleingangsphase

Zudem habe es schon vor langer Zeit einen Paradigmenwechsel bei der Einschulung von Kindern geben, hieß es aus dem Bildungsministerium. Anfang der 90er Jahre sei man noch deutschlandweit davon ausgegangen, dass ein Kind schulfähig sein müsse, um eingeschult zu werden.

Heute gehe man davon aus, dass Kinder in einer sogenannten Schuleingangsphase auf das weitere gemeinsame Lernen ab der dritten Klasse vorbereitet werden – trotz ganz unterschiedlicher Voraussetzungen. Diesen unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der einzelnen Schüler werde mit einem individuellen Eingehen auf den Einzelnen Rechnung getragen.

Allerdings hatte unter anderem die FDP-Bildungspolitikerin Franziska Baum (40) solche Darstellungen als realitätsfern zurückgewiesen.

Nach Rückmeldungen aus den Schulen werde die Theorie zur Schuleingangsphase in der Praxis oft nicht umgesetzt.

Titelfoto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

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