Schwere Vorwürfe gegen Thüringer Landesregierung: Gutachten soll Verfehlungen erhärten
Erfurt - Die Thüringer Landesregierung sieht sich wegen ihrer Personalpolitik mit schweren Vorwürfen konfrontiert, auch die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt. Nun soll ein von der Opposition beauftragtes Gutachten mögliche Verfehlungen erhärten.
Ein von Teilen der Opposition in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten sieht "gravierende Pflichtverletzungen" der Thüringer Landesregierung bei Personalentscheidungen.
Dadurch sei dem Freistaat auch ein Vermögensschaden entstanden, sagte der Gutachter Frank Saliger am Mittwoch in Erfurt. Der Strafrechtsexperte war mit dem Gutachten von der Thüringer CDU-Fraktion und der parlamentarischen Gruppe der FDP beauftragt worden. Saliger betonte: "Dieses Gutachten ist kein Gefälligkeitsgutachten."
Hintergrund ist ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Personalpolitik der rot-rot-grünen Landesregierung. Darin wird unter anderem beanstandet, dass bei der Einstellung etwa von Staatssekretären die Bestenauslese nicht beachtet und Dokumentationspflichten verletzt worden seien.
Der Landesrechnungshof wirft der Landesregierung darin systematische und schwerwiegende Verstöße gegen Regeln zur Einstellung von Beamten vor.
Anfangsverdacht einer strafbaren Untreue
Zudem wurde im Januar bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen des Anfangsverdachts der Untreue ermittelt. Im Landtag soll ein Untersuchungsausschuss aufklären, ob die Landesregierung mit ihrer Personalpolitik Fehler machte.
Die Einstellungspraxis der Landesregierung bei Staatssekretären und in den Leitungsbereichen der Ministerien verstoße in sechs näher untersuchten Fällen gegen Vorschriften des Dienst-, Beamten- und Haushaltsrechts und "begründet den Anfangsverdacht einer strafbaren Untreue", steht in einer Zusammenfassung des Gutachtens. Saliger machte klar, dass er sich auf den Bericht des Rechnungshofes bezog. "Den Sachverhalt konnte ich nicht prüfen."
Seiner Ansicht nach seien aber die Pflichtverletzungen "in Quantität und Qualität so eindeutig" schon in den Ausführungen des Landesrechnungshofes, dass "sich die strafrechtliche Würdigung ja fast schon von selbst versteht", sagte er.
Die Thüringer Landesregierung hatte in der Vergangenheit einige der Vorwürfe eingeräumt - etwa Versäumnisse bei den Dokumentationspflichten. Zugleich beharrt sie auf einer anderen Rechtsauffassung als der Landesrechnungshof und begründete dies unter anderem mit Ausnahmeregelungen für politische Beamte.
Astrid Rothe-Beinlich schießt gegen CDU und FDP
Saliger hingegen sagte, Staatssekretäre seien als politische Beamte "normale Laufbahnbeamte". Die Bestenauslese sei ein "tragendes Strukturprinzip" im deutschen Beamtentum und gelte "uneingeschränkt auch für die Einstellung von politischen Beamten".
Jeder Deutsche habe nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. "Eine Übereinstimmung mit den Zielen der Regierung und ein darauf basierendes Vertrauensverhältnis" dürfe nur zusätzlich berücksichtigt werden.
Die Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich (49) kritisierte das Vorgehen von CDU und FDP. Der Gutachter Saliger sei in der Öffentlichkeit als AfD-Anwalt von Alice Weidel (44) in der Spendenaffäre bekannt geworden. "CDU und FDP werden sich bei dessen Wahl sicher etwas gedacht haben", so Rothe-Beinlich.
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