Nachträglicher Demokratie-TÜV für Deutschlands ersten AfD-Landrat? Verfassungsrechtler äußert Bedenken

Erfurt/Sonneberg - Aus Sicht des Jenaer Verfassungsrechtlers Michael Brenner (62) wäre ein Verfassungstreue-Check des AfD-Politikers Robert Sesselmann (50) vor der Landratswahl in Sonneberg besser gewesen.

Michael Brenner (62) ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. (Archivbild)
Michael Brenner (62) ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. (Archivbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

Eine nachträgliche Überprüfung sei zwar rechtlich möglich, aber "politisch heikel", sagte Brenner der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.

Seiner Meinung nach ist immer eine Einzelfallprüfung nötig, dafür wäre aber auch vor der Wahl genügend Zeit gewesen. "Dann hätte ein unabhängiges Verwaltungsgericht geprüft, ob eine Nicht-Zulassung zur Wahl rechtmäßig gewesen wäre oder nicht. Und die wären dann schon in eine tiefe Sachverhaltsprüfung eingestiegen", sagte Brenner.

Robert Sesselmann wurde am Sonntag im Landkreis Sonneberg zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt, was bei vielen Politikern anderer Parteien für Entsetzen sorgte. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Aufgrund dieser Einstufung will das Landesverwaltungsamt nun prüfen, ob Sesselmann als Landrat geeignet ist.

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Hintergrund ist das Thüringer Kommunalwahlgesetz, wonach als Landrat nicht gewählt werden kann, "wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt".

Braga: "Angriff auf die Demokratie"

AfD-Sprecher Torben Braga (*1991) nannte die Überprüfung von AfD-Landrat Robert Sesselmann (50) einen "Angriff auf die Demokratie". (Archivbild)
AfD-Sprecher Torben Braga (*1991) nannte die Überprüfung von AfD-Landrat Robert Sesselmann (50) einen "Angriff auf die Demokratie". (Archivbild)  © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Dies sei der Maßstab für die Überprüfung, hatte Kommunalstaatssekretärin Katharina Schenk (35) gesagt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer AfD-Fraktion, Torben Braga (*1991), nannte die Überprüfung einen "Angriff auf die Demokratie".

Laut Brenner muss ein solches Verfahren keineswegs aussichtslos sein. "Man will ja keinen Verfassungsfeind als Chef eines Landratsamtes haben." Allerdings sei eine umfassende Gesamtbeurteilung nötig. Da gehe es etwa darum, ob sich Sesselmann verfassungsfeindlich geäußert hat - und vor welchen Zuhörern.

Es mache beispielsweise einen Unterschied, ob jemand bei einer Wahlkampfveranstaltung auftritt und plakative Thesen vertrete oder ob man bei einer Veranstaltung des "Flügels" der AfD auftrete.

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Der "Flügel" als Gruppierung innerhalb der AfD um Thüringens AfD-Landesparteichef Björn Höcke (51) wurde im März 2020 als erwiesen rechtsextrem eingestuft und später von der AfD formal aufgelöst.

Brenner sagte, ein solches Gesamtbild dürfe sich wohl auch nicht nur auf Landtagsreden stützen, denn Abgeordnete genießen Indemnität.

Wird Sesselmann aus dem Amt entfernt?

Indemnität bedeutet vereinfacht, dass ein Abgeordneter weder dienstlich noch gerichtlich verfolgt werden kann, wegen Äußerungen, die er im Parlament tätigt. Brenner zufolge können Landtagsreden ein "Mosaikstein" in der Gesamtabwägung sein. "Ich würde jetzt, wenn ich es bewerten müsste, Äußerungen auf einem AfD-Parteitag viel größere Bedeutung beimessen", sagte Brenner.

Komme die Überprüfung zu dem Schluss, dass Sesselmann für den Posten nicht geeignet sei, müsse er aus dem Amt entfernt werden, sagte Brenner.

Der Mann, um den es seit Wochen geht: AfD-Politiker Robert Sesselmann (50).
Der Mann, um den es seit Wochen geht: AfD-Politiker Robert Sesselmann (50).  © Martin Schutt/dpa

"Dann wäre natürlich der nächste Schritt, dass er gegen diese Entfernung aus dem Amt klagt. Und dann sind wir auch wieder beim Verwaltungsgericht."

Titelfoto: Sebastian Gollnow/dpa/Martin Schutt/dpa/Montage

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