Von 60 auf vier Betriebe: Traditionsreiches Thüringer Handwerk auf der Kippe
Weißenborn - Im Thüringer Holzland werden seit jeher handgefertigte Holzleitern produziert. Im Film "Die Leitermacher aus dem Holzland - Sprosse um Sprosse" gibt der MDR einen Einblick in jene traditionsreiche Handwerkskunst - eine, die vom Aussterben bedroht ist.
"Den hat 'ne Katze abgefressen", sagt Stephan Jäger und schmunzelt - Scherz! Dass sein linker Zeigefinger nicht mehr ganz vollständig ist, hat einen anderen Grund.
Passiert ist es an einer Tischfräse. Das Holz sei weggeschnippt, und die Hand? "Hinterher!" Nichts sei mehr zu retten gewesen. "Da war ich noch jung, 23 war ich da. Das war noch Lehrgeld, kann man sagen. Aber so ein Stückchen Finger kann man schon mal verkraften", sagt der Leitermacher und lacht.
Wie der Vater, so der Sohn! Auch Stefan Jäger steckt die alte Handwerkstradition im Blut. 2021 übernahm er nach Angaben des MDR den Familienbetrieb und kümmert sich um die Geschäfte. Doch auch er hat einen unvollständigen Finger. An einer anderen Maschine sei ihm derselbe Fehler unterlaufen, verrät er.
"Wie sagt man immer: Wenn Routine einkehrt und das ..." - Stefan Jäger macht eine Pause, beißt sich auf die Lippe und schüttelt den Kopf. Man müsse schon bis zum Schluss konzentriert bleiben, aber die Ärzte hätten sich gefreut, scherzt er. Auch in Sachen Humor: ganz wie der Vater.
Doch es gibt auch ein Thema, das bei den "lustigen Leitermacherleut", wie es in einem Lied heißt, keine hochgezogenen Mundwinkel hervorruft - immer dann, wenn es um die Zukunft dieses alten Handwerks geht, wenn damals und heute miteinander verglichen werden.
Wenn Leiter- und Rechenmann kamen
Wie der MDR berichtet, sind handgefertigte Leitern rar geworden. Zwar wächst der Rohstoff direkt vor der Haustür, doch Dürre und Schädlinge zerstören den heimischen Wald. Den Leitermachern geht das Holz aus. Die gute alte Handwerkstradition stehe auf der Kippe, heißt es.
"Jetzt müssen wir kämpfen", sagt Leitermacher-Meister Torsten Jäger laut MDR. In den 1980ern gab es in Weißenborn nach Angaben des Senders noch sechzig Firmen, heute sind es hingegen nur noch vier.
Auch die direkten Haustürgeschäfte gibt es in der Form kaum noch. Früher sind sie den Angaben nach gang und gäbe gewesen. "Der Rechenmacher kommt. Servus Torsten", sagt Peter Dämmrich, als er mit seiner Frau bei den Jägers aufkreuzt, um eine Lieferung abzugeben - zwei Rechen bringen die beiden vorbei.
Peter Dämmrich und seine Frau sind die letzten Rechenmacher im Dorf. Der 80-Jährige führt die Werkstatt in dritter Generation - inzwischen jedoch eher als eine Art Hobby. Seine Frau hilft, wo sie kann.
Es gebe viele, die es schaden finden, dass nicht wie früher der "Leitermann" oder der "Rechenmann" komme, berichtet Jäger. "Es ist leider so, aber man kann es nicht mehr ändern", sagt Holz-Handwerkskollege Peter Dämmrich.
Eine über 300 Jahre alte Holzlandtradition stirbt aus, sagt die Stimme aus dem Off.
Titelfoto: MDR Thüringen/Anja Krußig Kopie