"Das war schon demütigend!": Warum Marcel Bräutigam seine Biathlon-Karriere beenden musste
Erfurt - Marcel Bräutigam zählt zu den schnellsten Polizisten Deutschlands. Im TAG24-Interview verrät er, wie seine Biathlon-Karriere vor mehr als 15 Jahren von einem auf den anderen Tag endete, warum er mit dem Rennsteiglauf noch eine Rechnung offen hat und warum Tempomacher so wichtig sein können.
TAG24: Es kommt dann sicherlich auch darauf an, wofür man gerade trainiert, wo aktuell die Prioritäten liegen - ob Grundlagentraining oder die spezifische Vorbereitung auf einen Marathon oder Supermarathon.
Marcel: Ja, genau. Was den Supermarathon angeht, habe ich noch einen großen Wunsch, den ich mir gerne erfüllen möchte. Nachdem ich den Halbmarathon und Marathon beim Rennsteiglauf bereits gewinnen konnte, will ich beim Supermarathon auch mal ganz oben stehen. Zuletzt lief es hier nicht so gut. 2022 hatte ich mit den Nachwehen einer starken Erkältung zu kämpfen, sodass ich während des Laufes aussteigen musste. In diesem Jahr hat es mich kurz vorher mit Scharlach und einer Fußverletzung erwischt. Eine Teilnahme war nicht möglich.
TAG24: Du steigst während eines Wettkampfes aus oder sagst ihn komplett ab. Auch mit der Berlin-Absage haderst du im Nachhinein nicht weiter. Offenbar gehst du sehr nüchtern mit Rückschlägen um. Ist das etwas, was du erst lernen musstest?
Marcel: Ich würde sagen, dass ich mit solchen Dingen schon immer gut umgehen konnte. Was das angeht, bin ich doch immer ein sehr vernünftiger Mensch gewesen. Ich höre auf meinen Körper und kann nur jedem empfehlen, lieber ein paar Tage auszuruhen, als wenn man sich im Training quält und es dadurch nur schlimmer macht.
Marcel Bräutigam zum Ende seiner Biathlon-Karriere: "Das war schon demütigend"
TAG24: 2006 bist du am Epstein-Barr-Virus erkrankt. Du konntest sechs Monate keinen Sport machen. Spielt das auch eine Rolle für dein heutiges Denken in Bezug auf eine angeschlagene Gesundheit?
Marcel: Auf jeden Fall! Das war schon ein großer Einschnitt in meinem Leben und da wird einem klar, wie wichtig es ist gesund zu sein!
TAG24: Im Jahr darauf musstest du deine Biathlon-Laufbahn beenden!
Marcel: Letztlich kann keiner sagen, wie es weitergegangen wäre. Aber man hat mir damals auch einfach keine Zeit eingeräumt, an meine Leistungsfähigkeit vor der Krankheit anzuknüpfen. Ich sollte dann plötzlich nach nur ein bis zwei Monaten Vorbereitung an Wettkämpfen teilnehmen. Da hätte jeder Arzt von abgeraten.
Es war dann irgendwo auch absehbar, dass die Saison nicht gut verlaufen würde. Und so war es dann letztlich auch - von einem Tag auf den anderen war alles vorbei. Ich durfte zwar in der Sportfördergruppe bleiben, zumal ich hier auch die Ausbildung abschließen wollte. Ich wollte nicht irgendwo neu anfangen. Aber dafür musste ich meinen ehemaligen Trainingskollegen plötzlich die Skier wachsen und Co-Trainer spielen. Das war schon demütigend.
Marcel ist auch gern Triebwagen für andere!
TAG24: Dafür hat der Laufsport einen exzellenten Athleten mehr gewonnen. Mit deinen jetzt 36 Jahren kannst du bereits auf eine erfolgreiche Karriere als Läufer zurückblicken. In deiner bisherigen Laufbahn warst du auch schon als Pacemaker im Einsatz.
2014 hast du Anna Hahner (33) zum Sieg beim Wien-Marathon mit verholfen. Auch für Sabrina Mockenhaupt-Gregor (42) - damals noch Mockenhaupt - warst du bereits als Pacemaker im Einsatz. Was macht eigentlich mehr Spaß: Tempomacher für jemanden zu sein oder ganz für sich allein zu laufen?
Marcel: Der Unterschied ist, dass du als Tempomacher eine andere Art von Aufgabe hast. Du trägst eine gewisse Verantwortung. Von dir wird erwartet, dass eine bestimmte Zeit erreicht wird. Ich bin da auch sehr detailverliebt, gucke zum Beispiel wo die Strecke am kürzesten ist und wie ich die Läuferin, in der meist anfänglich großen Laufgruppe, am besten schützen kann, was auch die Verpflegung während des Rennens einschließt.
Insgesamt macht es insofern mehr Spaß, weil man als eine Art Team unterwegs ist. Und ich war auch schon immer so eingestellt. Zudem geht man hier nicht die ganze Zeit ans Limit. Aber sicherlich ist diese Art der Wettkampfteilnahme nicht mit einem eigenen Lauf vergleichbar. Die Emotionen im Ziel sind da ganz andere und man wird als Pacemaker auch nicht geehrt.
Ex-Biathlet gesteht: "Ich rede gern über den Sport!"
TAG24: Es gibt Stimmen, die behaupten, man braucht keinen Pacemaker. Entweder man kann es oder man kann es nicht. Was sagst du dazu?
Marcel: Es macht schon einen riesigen Unterschied, ob du einen Pacemaker hast oder nicht! Der Läufer hat durch den Tempoläufer einen gewissen Windschatten und auch einen Bezugspunkt, an den er sich dran heften kann. Allein in mentaler Hinsicht ist das schon eine andere Nummer, als wenn du komplett allein unterwegs bist.
Ich habe dafür ein sehr, sehr gutes Beispiel und spreche da aus eigener Erfahrung. 2014 hatte ich beim Köln-Marathon (Anm. d. Red.: Marcel wurde Gesamtzweiter) im Vorfeld einen sehr erfahrenen Tempomacher mit im Boot.
Er hatte nur leider im Vorfeld einen Wettkampf bestritten und stieg dann anders als geplant schon bei Kilometer 30 aus.
In der Folge habe ich schon sechs bis acht Sekunden auf den Kilometer verloren. Das ist hochgerechnet weit über eine Minute. Wenn es um persönliche Bestleistungen geht, ist das schon enorm!
TAG24: Marcel, wir haben heute leider auch ein wenig Zeit liegen lassen. Ich war vielleicht nicht der beste Tempomacher. Wir sind jetzt schon weit über der vereinbarten Zeit. Es tut mir leid!
Marcel (lacht): Ja, alles gut, ich rede ja auch gern über den Sport!
Lest im ersten Teil des Interviews, warum er aktuell im Kinderzimmer seines Sohnes schläft, was er beruflich verändern will und worauf er im November größtenteils erstmal pfeift!
Titelfoto: Christian Heilwagen/privat/Montage