Die Ruhe vor dem Cyber-Blitzkrieg? LKA warnt vor möglichen Angriffen
Erfurt - Bereitet Russland möglicherweise einen gezielten Cyber-Blitzkrieg auf Deutschland vor? Experten warnen vor Schläfern, die nur darauf warten zuzuschlagen. Auch in Thüringen ist die Lage angespannt.
"Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei einer weiteren Eskalation des Konflikts auch Deutschland in den Fokus staatlich motivierter Cyberangriffe gerät. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Computersysteme kleinerer Versorgungsunternehmen, z. B. lokale Energieversorger, bereits infiltriert sind", wird Thorsten Urbanski, Sprecher des in Bratislava ansässigen IT-Sicherheitsunternehmens ESET in einem Beitrag des SWR zitiert.
In dem Beitrag heißt es zudem, dass dem russischen Einmarsch in die Ukraine ein "massiver Cyberschlag" vorausging.
"Das geht aus IT-forensischen Analysen hervor, die dem SWR vorliegen", heißt es. Hunderte Systeme in "mindestens" fünf Organisationen waren nach Angaben des Senders betroffen.
Die eigentliche Schadsoftware zerstöre dabei die Informationen und Datenträger nachhaltig und verhindere auch deren Wiederherstellung, heißt es.
Nach Cyberangriff: Noch immer Durcheinander in Suhl
Chaos angerichtet hat in der Nacht vom 9. auf den 10. März auch ein Cyberangriff in Thüringen. Genauer gesagt in der Suhler Stadtverwaltung.
Noch immer heißt es auf der Homepage der Behörde, dass man "nur sehr eingeschränkt arbeitsfähig" sei. Man werde jedoch von umliegenden Verwaltungen unterstützt, hieß es in der vergangenen Woche.
Das Landeskriminalamt (LKA) ermittelt. Doch wie sieht es insgesamt im Freistaat aus? Haben Cyber-Angriffe in Thüringen seit der russischen Invasion am 24. Februar zugenommen? Das Thüringer LKA teilte TAG24 schriftlich mit: "Ein erhöhtes Anzeigeaufkommen von Cyberstraftaten konnte für Thüringen seit dem 24.02.2022 nicht festgestellt werden." Auch ein direkter Bezug zum Krieg in der Ukraine sei bei den angezeigten Straftaten "nicht herstellbar".
Allerdings weist das LKA daraufhin, dass man bei Cybercrime grundsätzlich von einer "hohen Dunkelziffer" ausgehen könne. Die Gründe hierfür seien "vielfältig".
Ein "wichtiger Grund" für "das Nichtanzeigen eines IT-Sicherheitsvorfalls" sei jedoch, "dass viele Cyber-Angriffe durch die eingesetzte Sicherheitstechnik bereits automatisch abgewehrt werden."
Daten-Spionage: Sprunghafter Anstieg im Jahr 2014
Zahlen zum Thema Cyberkriminalität im Freistaat gibt es dennoch. Wie aus den polizeilichen Kriminalstatistiken hervorgeht, hat es im Jahr 2014 - in diesem Jahr kam es durch die Krim-Annexion zu einer Verschärfung der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine - einen sprunghaften Anstieg an "Cybercrime" gegeben - von 2091 erfassten Fällen auf 2267. Zudem lag der Wert in Sachen "Ausspähen und Abfangen von Daten" mit 748 Fällen deutlich über dem Wert des Vorjahres (536).
Allerdings sollte der Wert im darauffolgenden Jahr wieder deutlich sinken. 2020 lag er den Angaben zufolge bei 552. Alle als Cybercrime erfassten Fälle in Thüringen lagen bei 2904. Eine Statistik für 2021 liegt bislang noch nicht vor.
Auf Nachfrage, wie die aktuelle Situation im Freistaat einzuschätzen sei, heißt es vom LKA: "Das Nationale Cyberabwehrzentrum (NCAZ) und das BSI schätzen die IT-Sicherheitslage in Deutschland - und damit auch in Thüringen - als angespannt bis kritisch ein."
Das Thüringer LKA rät Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen und Institutionen "den Schutz ihrer IT-Infrastruktur" zu erhöhen.
Experten wie Hans-Wilhelm Dünn, Präsident des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland, gehen auch von sogenannten Schläfern aus. Angreifer, die in deutschen Systemen "trainieren", um sie dann "beispielsweise in einer kriegerischen Auseinandersetzung [...] zu nutzen".
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