Aufstand wegen Sachsen-Bordell: "Eindeutige Geräusche, benutzte Kondome" und wartende Freier
Leipzig - Die Nonnenstraße im Leipziger Westen: ein ruhiges Wohnviertel mit viel Grün, perfekt für Familien. Eigentlich alles so weit ganz normal. Doch seit März rumort es in Plagwitz. Im Wohnkomplex Nonnenstraße 50 wurde eine Wohnung angemietet, die als sogenanntes Wohnbordell fungiert.
Offenbar wurden die Räume von den Betreibern einer Leipziger Internetseite angemietet, auf der Kontakte zu Prostituierten vermittelt werden. Anzutreffen sind diese in wöchentlichem Wechsel in verschiedenen Wohnungen im Stadtgebiet. Es ist also nicht Rosi, die täglich inseriert, sondern Mia-Foxx, Pia oder Estrella.
Die Nachbarn sind alles andere als begeistert. "Eindeutige Geräusche, laute Diskussionen auf der Terrasse, auch benutzte Kondome vor der Haustür oder Freier, die stundenlang vor der Tür stehen, Sturm klingeln und auf Einlass warten", berichtet eine Bewohnerin (*Name der Redaktion bekannt).
"Auf der Homepage werden Betriebszeiten von 9 bis 22 Uhr angegeben - schon das ist gelogen, denn die Freier klingeln hier Tag und Nacht", ergänzt ein anderer Bewohner.
Keiner der Nachbarn wirkt, als sei man hier konservativ oder spießig. "Uns geht es vor allem um die Kinder, die hier leben, und um die nächtliche Ruhestörung. Von dem Umstand, dass die Frauen oft nicht freiwillig in solchen Einrichtungen arbeiten, gar nicht anzufangen."
Vermieter möchte Mietvertrag mit betroffener Wohnung kündigen
Gegenüber den Bewohnern scheint die zuständige Hausverwaltung "Argo Residential GmbH" das Problem erkannt zu haben. In einem der Redaktion vorliegenden Schreiben wird eine anwaltliche Klärung der Sache in Aussicht gestellt. Hintergrund sei, dass die Vermieter von den Mietern der Wohnung getäuscht worden seien und die geplante Nutzung als Bordell nicht erwähnt wurde.
Dem entgegen steht eine Aussage der Stadtverwaltung Leipzig gegenüber den Bewohnern, in der es heißt: "Gemäß der vorliegenden Unterlagen wird die gewerbliche Nutzung seitens der Hausverwaltung gestattet."
Damit konfrontiert, äußert sich Argo-Geschäftsführer René Deschner nur schmallippig: "Der Fall befindet sich in rechtlicher Bearbeitung der von uns damit beauftragten Anwaltskanzlei mit dem Ziel der Aufhebung/Kündigung des Vertrages."
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe sei die Mieterin der Wohnung durch das Haus gegangen und hätte versucht, mit den Mietern zu sprechen. Für die Nachbarn ist das nicht ausreichend. Sie wollen keinen käuflichen Sex in ihrer Nachbarschaft.
Sexarbeit in Leipziger Wohnhaus: "Aktuell wurde eine Erlaubnis durch die Stadt Leipzig erteilt"
Die Stadtverwaltung Leipzig sieht hier keinen Handlungsbedarf. Auf Nachfrage erklärt das wegen "Veranstaltungen wie das Stadtfest, EURO 2024, Demos plus originäre Themen" überlastete Ordnungsamt:
"In der Nonnenstraße ist grundsätzlich Gewerbe jeder Art gestattet, sofern es nicht gesetzliche Vorgaben gibt, die dies einschränken. Auch ist eine Prostitutionsstätte in der Nonnenstraße nach dem Sächsischen Prostituiertenschutzgesetz in Zusammenhang Sperrbezirksverordnung über das Verbot der Prostitution zum Schutze des öffentlichen Anstandes und der Jugend in Leipzig grundsätzlich möglich. Aktuell wurde auch eine Erlaubnis [...] durch die Stadt Leipzig erteilt."
Auch die wechselnden dort tätigen Personen seien kein Problem. Da es sich in dem Gebiet nicht um einen Sperrbezirk für Prostitution handelt, sondern um ein "Mischgebiet", ist die Nutzung legal. Für die Einstufung der Gebiete verweist man an die Landesdirektion Sachsen.
Wohnbordell im Leipziger Westen: "Kinderschutz wird hier gar nicht in Betracht gezogen"
Die Bewohner fühlen sich von der Stadt mit ihren Sorgen alleingelassen. "Kinderschutz wird hier gar nicht in Betracht gezogen und der Schwarze Peter wird hin und her geschoben."
Noch vor der Sommerpause soll im Stadtrat die neue Satzung zum Zweckentfremdungsverbot auf den Weg gebracht werden. Hier soll Wohnraum vor Kurzzeitvermietungen für Airbnb und Co. geschützt werden.
Ob dies auch für Bordelle in extra dafür gemieteten Wohnungen gelten soll, wollte die Stadtverwaltung mit Verweis auf die noch nicht existierende Satzung nicht beantworten. Da die Internetseite offenkundig als Vermieter auftritt und die Wohnungen nie länger als ein bis zwei Wochen "vermietet" werden, müsste das sächsische Zweckentfremdungsverbot hier greifen.
Die Wohngemeinschaft in der Nonnenstraße will jedenfalls nicht aufgeben, bis dem Etablissement gekündigt wird, und trägt nun ihren Protest in die Öffentlichkeit.
Titelfoto: Bildmontage: Hauke-Christian Dittrich/dpa ; privat