Rammstein in Dresden: Warum es zu Störaktionen kommen kann
Dresden - Rammstein und ihr Sänger Till Lindemann (61) sind am 15., 16., 18 und 19. Mai in Dresden. Rund 55.000 Fans der kontroversen Hardrock-Band werden pro Auftritt in der Rinne erwartet.
Gab es bereits Skandale um Songtexte, Musikvideos oder Auftritte der Künstler, machten Frauen im Sommer 2023 dem 61-jährigen Frontmann schwere Vorwürfe aufgrund von mutmaßlichen Sexualdelikten. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte Ende August die Ermittlungen dahingehend ein.
Was bleibt, sind Proteste, die dennoch Konsequenzen fordern. Auch zum ersten deutschen Konzert der Band 2024.
In einem offenen Brief an die Stadt verlangt das "Bündnis Konsequenzen für Rammstein" ein Verbot der Konzerte in Dresden, eine gründliche Aufarbeitung der Fälle und die Entschädigung der mutmaßlich Betroffenen.
Am Nachmittag des 15. Mai rufen Aktivisten deshalb zur Demonstration auf - vom Jorge-Gomondai-Platz bis zur Pieschener Allee. Die Behörde informierte über eine angemeldete Versammlung unter dem Namen "Till Verschwindemann - Keine Bühne für Täter" mit knapp 100 geplanten Teilnehmern.
Wie aus einer Anfrage an die Stadt hervorgeht, wird sich aktuell noch mit den Forderungen befasst. Wie ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden mitteilte, gibt es zu dem Anti-Rammstein-Protest bislang keine Pläne seitens der Beamten ...
Veranstalter will nicht über Anschuldigungen urteilen, begrüßt aber den Protest
TAG24 hakte beim Dresdner Partner des Veranstalters nach. "Bernd Aust Kultur Management GmbH" verurteilten im Hinblick auf den Protest sexualisierte Gewalt. "Es ist uns ein Anliegen, alles zu tun, was in unserer Macht und Verantwortung liegt, um sexualisierter Gewalt vorzubeugen."
Was konkret getan werden soll, blieb offen. Eine "Row Zero" sei ihnen nur aus Medienberichten bekannt. Im sogenannten Sicherheitsgraben soll es in Dresden keine Gäste geben.
Auf der Website heißt es zudem, dass sich Besucher vor Ort an die Initiative "Inklusion Muss Laut Sein" wenden können, falls sie sich während der Konzerte bedrängt fühlen.
Ein Urteil über die Anschuldigungen selbst erlaube man sich nicht. Einen friedlichen Protest, auch gegen die eigenen Events, begrüße man jedoch "als Ausdruck einer lebendigen Demokratie".
Inoffizieller Rammstein-Autor: Es war "teilweise wie ein Sport", weibliche Fans mit aufs Zimmer zu nehmen
Bis zu 55.000 Fans der Band sollen - trotz Demo - zu jedem der Auftritte in der sächsischen Landeshauptstadt strömen. "Einen Rammi lässt so was kalt", sagte ein langjähriger Fan der Band, der anonym bleiben möchte.
Auf das Event freut er sich, geht mit Frau, Kind und Freunden in die Rinne. "Konzerte zu verbieten, die viermal mehr als 50.000 Personen anlocken, die Stadt und Tourismus guttun [...], weil sich kleine Gruppen diskriminiert fühlen, geht ein bisschen zu weit", findet der Konzertgänger.
"Sie haben sehr viele treue Fans, männlich wie weiblich", ist sich auch Michael Fuchs-Gamböck (59) sicher. Er begleitete die Band viele Jahre, schrieb in "Bis das Herz brennt: die inoffizielle Rammstein Biografie" auch über jüngste Vorwürfe.
Gerade den Sänger hätten diese ziemlich getroffen: "Die vorhergehenden Provokationen betrachtet er als großes Spiel [...], das hier war ernst, auch für ihn eine neue Dimension", meinte der Autor.
Jedoch sei es für die Rocker auch "teilweise wie ein Sport" gewesen, weibliche Fans mit aufs Zimmer zu nehmen. "Ich finde es nicht appetitlich, aber es geht mich nichts an, was da in Hotelbetten passiert", so Fuchs-Gamböck.
Bereits im vergangenen Jahr formierte sich Protest gegen Rammstein-Auftritte vor den Stadien in Berlin und München sowie vor Lindemanns Solo-Konzerten. Mit Plakat-Aufschriften wie "Das Opfer ist nie schuld", "Keine Show für Täter" und "Glaubt Opfern sexualisierter Gewalt" setzten sich Demonstranten für betroffene Frauen ein. Auch ohne Ermittlungsverfahren.
Worum geht's bei den Vorwürfen?
Shelby Lynn (25) löste die Kritik-Welle im Mai 2023 aus. Sie sei bei einem Konzert Rammsteins unter Drogen gesetzt worden. Dem NDR und der Süddeutschen Zeitung gegenüber berichteten Frauen von sexuellen Übergriffen und einem System, mit dem der Sänger sie für Sex rekrutiert habe. Die YouTuberin Kayla Shyx (22) veröffentlichte darüber ein Video.
Alena Makeeva, eine selbst ernannte Assistentin von Rammstein, soll Frauen während des Konzerts angesprochen und zur Aftershowparty mit Lindemann eingeladen haben. Über Social Media soll sie für einen exklusiven Bereich vor der Bühne namens "Row Zero" rekrutiert haben.
Am 14. Juni 2023 leitete die Staatsanwaltschaft Berlin ein Verfahren ein. Es ging um Vorwürfe aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln. Ende August platzen die Ermittlungen - es gab keinerlei Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten. Mutmaßliche Zeuginnen standen nicht zur Verfügung.
Im juristischen Sinne ist Lindemann unschuldig. Im März 2024 veröffentlichte Recherchen des NDR berichten von weiteren jungen Frauen, die nicht wussten, worauf sie sich bei Aftershowpartys einlassen würden. Sex hätten sie nicht abgelehnt, ihn jedoch später als übergriffig empfunden.
Laut dem Sender soll sich Lindemann bis heute juristisch gegen die Aussagen von Lynn sowie Medienberichte wehren - teils mit Erfolg. Zumindest bleibt die Frage nach Machtmissbrauch.
Titelfoto: Montage: Norbert Neumann, picture alliance/Gonzales Photo/Nikolaj Bransholm