Nordisches Modell auch in Deutschland? Hier tanzen Sexarbeiter gegen das Sexkauf-Verbot
Berlin - Bei den Prostituierten geht die Angst um! Weil die CDU das sogenannte nordische Modell einführen will, gingen am Samstag die Sexarbeiter in Berlin lautstark auf die Straße. TAG24 war vor Ort.
Am Neptunbrunnen, nur wenige Meter vom Roten Rathaus entfernt - dem Regierungssitz des Schwarz-Roten Senats - dröhnen die Techno-Bässe.
Zwei leicht bekleidete Damen tanzen oben auf dem Truck, während sich auf dem Vorplatz ein paar Schaulustige zu dem Mann im großen Kondom-Kostüm sowie den Sexarbeitern gesellen.
Geschätzte 100 Leute sind gegen 14 Uhr nach Mitte gekommen. Es erinnert ein wenig an einen Besuch im KitKat, hat aber einen ernsten Hintergrund: In Deutschland wird wieder einmal über ein Sexkauf-Verbot nachgedacht.
"Es geht in der gesamten Sexarbeiter-Branche im Moment eine große Angst vor dem Nordischen Modell um. Dieses wird von der CDU programmiert. In deren Köpfen kann Sexarbeit nicht freiwillig sein und deshalb muss die Nachfrage reduziert werden. Das heißt: Unsere Freier werden bestraft", erklärt Johanna Weber, Politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD), gegenüber TAG24.
CDU fordert Nordisches Modell auch in Deutschland
Sexarbeiter dürfen zwar legal weiterarbeiten, Sex gegen Geld ist aber verboten – genauso wie Bordelle oder Massagesalons.
"Wir sind hier, weil wir sagen wollen: Nein, genau das brauchen wir nicht! Wir brauchen ganz viele andere Sachen, aber wir wollen auf jeden Fall legal arbeiten. Die Arbeitsbedingungen sollen sich verbessern und nicht, dass die Kunden sich strafbar machen. So ein Quatsch."
Anders als in anderen europäischen Ländern gilt Prostitution in Deutschland seit 2002 als "normales Gewerbe". Hinzu kommt das 2017 eingeführte Prostituiertenschutzgesetz. Bordelle benötigen seitdem eine Betriebserlaubnis, Prostituierte müssen ihre Tätigkeit anmelden und zur Gesundheitsberatung gehen.
Der CDU/CSU reicht das nicht. Sie fordert ein Sexkauf-Verbot und ist damit nicht alleine. Im Herbst vergangenen Jahres sprach sich gar das Europaparlament für die Einführung in allen Mitgliedsstaaten der EU aus.
Auch Sexarbeitende befürworten Ausstiegsprojekte
Einige Länder wie Schweden, Norwegen, Frankreich, Irland oder Israel haben dieses Modell bereits eingeführt. Dabei gibt es drei Säulen:
1. Bestrafung der Freier bei Straffreiheit der Prostituierten, 2. Ausstiegsprogramme für Prostituierte sowie 3. Bildungsmaßnahmen in der Bevölkerung gegen Prostitution.
Gerade die Ausstiegsprojekte befürworten auch die Sexarbeiter. "Dafür brauchen wir aber kein Nordisches Modell. Das kann man auch so einrichten."
Zudem sollen es sinnvolle Projekte sein, die wiederum Geld kosten. "Da würde ich gerne mal Christian Lindner sprechen, wie er die Millionen denn lockermachen will", so Weber zu TAG24.
Das Beispiel Schweden und Norwegen zeigt zwar, dass das Angebot an Prostitution abnimmt, die Befürchtungen, dass es für die Sexarbeitenden noch unsicherer wird, ist aber groß.
Weber abschließend: "In Frankreich gibt es das Nordische Modell schon. Da muss man eigentlich nur hingucken, was da passiert. Es ist wie bei uns zu Corona-Zeiten. Da mussten fast alle Sexarbeitende arbeiten, obwohl es verboten war. Die Preise sind in den Keller gegangen, die Anfragen ohne Kondom haben zugenommen und auch die Übergriffe."
Titelfoto: TAG24