Nach Puma-Pleite: Ministerin Lambrecht auf Verteidigungsmission in Sachsen
Marienberg - Marder statt Puma: Mit dem Ausfall von 18 Schützenpanzern der neuesten Generation (Puma) füllen aktuell die altgedienten Modelle (Marder) die Lücke. Ob das funktioniert oder wie, davon überzeugte sich am Donnerstag Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (57, SPD) am Bundeswehrstandort Marienberg (Erzgebirge). Ein Truppenbesuch.
Eigentlich sollte sie schon da sein. Dann, kurz vor dreiviertel elf, wird es laut. Die Rotorblätter eines Hubschraubers zerschneiden die Luft. Womit sollte die Ministerin auch sonst anreisen?
Kaum ausgestiegen schreitet sie in Lammfell gefütterter Lederjacke, schwarzen Jeans und dunkelroten Fingernägeln zum Begrüßungsfoto mit dem Kommandeur, Oberstleutnant Thomas Spranger (41).
Anschließend ein "Vier-Augen-Gespräch". Die Presse überzeugt sich indes von der Funktionstüchtigkeit des Marders. Das Medieninteresse ist riesig. 67 Journalisten klettern in zwei Busse und werden ein paar Meter übers Kasernengelände "verlegt".
"Nach meiner Erfahrung ist der Marder ein robustes Fahrzeug, das in nahezu jedem Gelände einsetzbar ist", sagt der Kommandant des Fahrzeugs, das Christine Lambrecht später in Aktion sehen wird. Sein Gesicht ist in Tarnfarben bemalt.
Er trägt eine Maske, die nur die Augen freilässt. Seinen Namen sagt er nicht, nur, dass er seit 2015 bei der Truppe ist.
Dynamische Vorführung des "Marders"
Die Bundeswehr verfügt über rund 370 Marder, wie viele davon einsetzbar sind, ist nicht genau bekannt. Rund die Hälfte soll Macken haben. In Marienberg warten 28 Stück auf ihren Einsatz, vier weitere sind Ersatz.
Nach einer Verpflegungspause im Pressezentrum, der Turnhalle, dann endlich die "dynamische Vorführung": Der Motor läuft bereits, auf Kommando prescht der Marder vor, Vollbremsung, der Turm dreht sich einmal um die eigene Achse.
Besatzung und Ausrüstung werden präsentiert. Es hat angefangen zu regnen. Dass der Marder funktioniere, sei ein "ganz wichtiges Signal für die Nato-Partner", sagt Lambrecht beim abschließenden Presse-Statement.
Der leicht verblümten Frage nach ihrem eventuellen Rücktritt weicht sie diplomatisch aus. "Danke Ihnen, schönen Tag!" - Und weg ist sie.
Der "Marder": Altbewährter Könner der Schützenpanzer
Der gute alte Marder: Der Schützenpanzer ist seit den 70er-Jahren eines der Hauptwaffensysteme der Panzergrenadiere der Bundeswehr: 600 PS stark, 38,5 Tonnen schwer, 65 km/h in der Spitze schnell.
Die Ausrüstung besteht unter anderem aus einer 20-Millimeter-Bordmaschinenkanone, einem Maschinengewehr MG3 und einer Nebelmittelwurfanlage.
Mit der Panzerabwehrwaffe MELLS können die Schützen der neun Mann Besatzung auch Kampfpanzer und gepanzerte Fahrzeuge in bis zu 4000 Meter Entfernung bekämpfen, auch in Fahrt oder aufgesessen, wie das im Militärjargon heißt.
Militärstandort mit Tradition
Die Stadt im tiefsten Erzgebirge, kurz vor der tschechischen Grenze, und das Militär sind eng und schon lange miteinander verbunden. Bereits zwischen 1763 und 1858 war Marienberg Garnisonsstadt für die königlich-sächsische Kavallerie, danach für die Infanterie. 1873 zog die königliche Unteroffizierschule ein und hielt sich bis 1920. 1939 übernahm die Wehrmacht.
Nach der Teilung Deutschlands folgte in der Kaserne ab 1953 die Kasernierte Volkspolizei, später die Nationale Volksarmee (NVA) mit dem Motorisierten Schützenregiment 7. Die nächste große Zäsur kam dann mit der Wende.
Am 27. März 1991 wurde die Heimatschutzbrigade 37 mit den Panzergrenadierbataillonen 371 und 372, sowie der Panzerjägerkompanie 370, aus der Taufe gehoben.
Neue Zeiten, neue Namen: Am 26. Oktober 1992 erhielt die Kaserne die bis heute gültige Bezeichnung „Erzgebirgskaserne“.
VJTZF - die Feuerwehr der NATO für die Front
Die NATO muss im Ernstfall fix reagieren, egal wo auf der Welt er eintritt. Das macht die schnelle Eingreiftruppe "NATO Response Force" (NRF). Noch schneller ist die VJTZF. Seit 2022 gehört dazu auch die Panzergrenadierbrigade 37 "Freistaat Sachsen" aus Marienberg.
Mit der Annexion der Krim 2014 wurde die NRF um eine noch fixere Eingreifkomponente erweitert. Die Kräfte der "Very High Readiness Joint Task Force" (VJTF) sind in der Lage, innerhalb weniger Tage an jedem Einsatzort auf der Welt zu agieren.
Die NATO-Speerspitze umfasst bis zu 12.000 Soldatinnen und Soldaten aus neun NATO-Staaten, darunter auch rund 8000 Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr. Aus Marienberg stehen 400 Soldatinnen und Soldaten zweier Panzergrenadierkompanien sowie Unterstützungskräfte mit insgesamt 28 "Marder"-Schützenpanzern auf Abruf bereit.
Das Ganze funktioniert im rotierenden System und wechselt alle drei Jahre. Dieses Jahr ist für die Marienberger die Hoch-, 2024 dann die Chill-Out-Phase.
Titelfoto: Uwe Meinhold