Erniedrigende Darstellung? EU befasst sich mit Gemächt von David
Florenz (Italien) - Michelangelos "David" ist seit seiner Fertigstellung im Jahr 1504 eine herausragende Skulptur der italienischen Kultur. Doch im jetzt herrschenden Zeitalter des schnellen Geldes befürchtet die Museumschefin der "Accademia di Belle Arti" in Florenz, dass die Marmorstatue an Wert verliert - und insbesondere das prominente Gemächt verramscht wird: als Kühlschrankmagnet, auf Küchenschürzen oder für sonstige Souvenirs.
Cecillie Hollberg, die Direktorin der auch kurz "Galleria dell’Accademia" genannten Einrichtung, betonte seit ihrem Dienstantritt im Jahr 2015, sie werde diejenigen ins Visier nehmen, die mit "David" auf eine Art und Weise Geld machen, die sie persönlich als "erniedrigend" empfinde, berichtet Daily Mail.
Ein besonderer Dorn im Auge sind der 57-Jährigen dabei vor allem die zahllosen Straßenverkäufer und Betreiber von Souvenirläden, die Schürzen mit der nackten Figur der Statue, T-Shirts mit obszönen Gesten oder einen billigen Abdruck von Davids bestem Stück - oft in Neon-Farben - anbieten.
Auf Anweisung von Hollberg hat die Staatsanwaltschaft in Florenz deshalb eine Reihe von Gerichtsverfahren eingeleitet, in denen sie sich auf das italienische Kulturerbe-Gesetz beruft, das Kunstschätze vor herabwürdigender und unerlaubter kommerzieller Nutzung schützt.
Die "Accademia" habe so seit 2017 Hunderttausende Euro Schadensersatz erhalten, sagte Hollberg.
Doch das Vorgehen stößt auch auf Kritik und hat die Frage aufgeworfen, ob etwa Museen über den allgemeinen Geschmack entscheiden sollten und inwieweit dabei die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird.
EU prüft Kulturerbe-Gesetz Italiens
"Es wirft nicht nur rechtliche Fragen auf, sondern auch philosophische: Was bedeutet kulturelles Erbe? Wie viel Bestimmungsrecht sollte man Institutionen über Ideen und Bilder geben, die gemeinfrei sind?", gab der in New York ansässige Kunstanwalt Thomas C. Danziger zu bedenken.
Er verwies dazu auch auf Andy Warhols berühmte Serie, die von Leonardo da Vincis "Letztem Abendmahl" inspiriert war. "Werden Sie Künstler wie Warhol daran hindern, ein abgeleitetes Werk zu schaffen?", fragte Danziger.
Seiner Meinung nach würden es viele Menschen nicht unterstützen, wenn plötzlich Strafen oder Gebühren für Kunstwerke erhoben würden, "für die nie eine Gebühr erhoben werden sollte", so der Anwalt.
In Gerichtsverfahren wurde bereits darüber diskutiert, ob das italienische Gesetz gegen eine Richtlinie der Europäischen Union von 2019 verstößt, die besagt, dass alle nicht mehr urheberrechtlich geschützten Kunstwerke gemeinfrei werden. Das heißt, dass "jeder die Freiheit haben sollte, Kopien dieses Werks anzufertigen, zu nutzen und zu teilen".
Die EU-Kommission hat sich mit dem Thema auch schon befasst. Laut einem Sprecher werde noch geprüft, ob das Kulturerbe-Gesetz Italiens andere nationale Gesetze zur Umsetzung des Urheberrechts beeinträchtigt.
"GQ" montiert Model-Gesicht auf Davids Körper
Cecillie Hollberg gewann derweil ihren ersten Prozess gegen Ticketverkäufer, die Davids Image nutzten, um vor den Türen der "Accademia" Eintrittspakete mit Aufschlag zu verkaufen. Sie hat auch "GQ Italia" ins Visier genommen, weil das Männermagazin auf einem Foto das Gesicht eines Models auf Davids Körper montiert hatte.
Doch ganz gleich, wie viele Klagen Hollberg durchziehen will, die Verbreitung von Davids Konterfei geht weiter.
Titelfoto: Montage: AFP PHOTO/Vincenzo PINTO VINCENZO PINTO / AFP, Alberto PIZZOLI / AFP (2)