Tauben-Fütterverbot in Dresden: Tierschützer enttäuscht
Von Lennart Zielke, Jakob Anders
Dresden - Sie lauern an Unterführungen, bringen Krankheit mit, verdrecken unsere Parkbänke, verwüsten Denkmäler: Wer Tauben füttert, riskiert Bußgelder in vierstelliger Höhe. Tierschützer kritisieren diese Verordnung aus dem Dresdner Rathaus scharf!
Die gemeine Stadttaube gilt als Wildtier, kann sich selbst versorgen. Außerdem überträgt ihr Kot (12 Kilo pro Jahr und Tier) Parasiten.
"Daher ist das Taubenfüttern auf allen öffentlichen Flächen in Dresden verboten. Wer sich nicht daran hält, handelt ordnungswidrig", so eine Rathaussprecherin. Einen Beutel voller Brotkrümel auf dem Neumarkt ausgestreut, kann ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro bedeuten!
Unverständnis bis hin zu scharfer Kritik kommt von der Stadttauben-Initiative Dresden. Das Fütterungsverbot löse das Problem nicht.
"Am Bahnhof Mitte hat der Taubendreck deutlich abgenommen, als wir den Taubenschlag vor fünf Jahren hingestellt haben", erläutert Vorstand Sebastian Genz (37).
Taubenschützer sauer: Zusätzliche Taubenschläge statt Bußgelder
Die Tauben seien dadurch satt und hinterließen keinen "Hungerkot": Taubendurchfall, hervorgerufen durch dreckige Reste. Zudem werden im Taubenschlag die Eier gegen Attrappen ausgetauscht, dadurch die Population kontrolliert.
Gegen die Rathaus-Darstellung, dass Stadttauben Ratten mit Flügeln gleichen, deren Parasiten für Kinder, ältere Menschen und Allergiker gefährlich sind, protestieren Tierschützer wie Sebastian Genz: "Tauben sind Vögel! Deren Parasiten springen nicht auf Säugetiere über. Mit Hundekot sollte sich ja auch keiner einschmieren." Statt Bußgeldern fordert er zusätzliche Taubenschläge zur Eindämmung des Problems.
In den letzten fünf Jahren wurden übrigens nur zwei Verstöße geahndet. Bei einem erstmaligen Vergehen wird in der Regel ein Verwarngeld in Höhe von 55 Euro erteilt. Niemand musste bislang 5000 Euro Bußgeld zahlen, so die Stadtsprecherin weiter.
Kommentar von TAG24-Redakteur Jakob Anders: Im Zeichen der Taube
Sie gelten mindestens als Ärgernis, erregen stellenweise Ekel. Mancher Lackschaden, der durch ihren Kot am Auto entsteht, löst regelrechten Hass aus. Und dennoch: Man darf nicht alle Tauben über einen Kamm scheren.
Bis heute werden Brieftauben genutzt, um Nachrichten zu versenden. Mehrere Hundert dieser fliegenden Postboten sind täglich aus Polen und Tschechien (angemeldet!) zu Besuch, erfährt man von Dresdner Tierschützern.
Es gibt Orte, wie den Marktplatz in Krakau, die ohne Tauben kaum vorstellbar sind. Die Vögel, die in Schwärmen den Hauptmarkt "bevölkern", gelten unter den Polen keineswegs als gewöhnliches Federvieh. Sondern als verzauberte Ritter.
Ursprünglich im katholischen Kontext verankert, dient die Turteltaube bis heute jungen Pärchen als ernstes Liebessymbol. Und die weiße Friedenstaube als Zeichen gegen Krieg. Und die Problem-Tauben? Das sind diejenigen, die Schritt für Schritt kopfnickend am Cafétisch herumlungern, weil sie Hunger haben. Diesen Hunger sollte man kontrolliert stillen. Aber auch gleichzeitig in den Brutstätten Eier gegen Spielzeug tauschen.
Ich gebe den Spezialisten recht: Bußgelder lösen das Problem sicher nicht. Subventionierte Taubenschläge auf städtischen Gebäuden eher.
Titelfoto: Montage: IMAGO/Hanke, IMAGO/Sven Ellger, IMAGO/Michael Gstettenbauer, IMAGO/Michael Gstettenbauer, IMAGO/U. J. Alexander