Alte Herren spielten beim größten Oldie-Turnier der Welt in Brasilien

Dresden - Alte Herren – eine Bezeichnung, die Fußballer mit über 40 Jahren ungern hören. Aber auch "Alte Herren" können noch international spielen. Das beweist eine Mannschaft aus Hobbyfußballern von der SG Kesselsdorf. Als einziges deutsches Team treten die Spieler im November bei der Copa AFIA Brasil in Recife an. In der Arena Pernambuco, in der 2014 zur WM bereits die deutsche Nationalmannschaft spielte, messen sich die Kesselsdorfer mit über 800 Teilnehmern aus ganz Südamerika.

Das Kesselsdorfer Altherren-Team wird von anderen Kickern unterstützt.
Das Kesselsdorfer Altherren-Team wird von anderen Kickern unterstützt.  © Christian Juppe

Hier! Spiel mich an!“, ruft Mirko Naumann (53) über den Sportplatz der SG Kesselsdorf. Trotz des kalten Windes sind viele Sportler zum Training gekommen.

Die Kesselsdorfer werden in Brasilien von Spielern aus anderen sächsischen Vereinen unterstützt. So ist es das erste Mal, dass die Mannschaft gemeinsam trainiert. Mirko Naumann hat die Reise nach Recife organisiert.

„Es ist schon etwas Besonderes, an so einem Turnier teilnehmen zu können“, sagt er. Besonders sei vor allem das Stadion. Rund um den Naturrasen der Arena Pernambuco ist Platz für knapp 44 000 Zuschauer.

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„Ich habe in den letzten Jahren viele Stadien besucht. Oft durfte man den Rasen nicht mal betreten, aber dort dürfen wir auf dem Rasen spielen, darauf hinfallen, ihn kaputt machen“, sagt Mirko Naumann grinsend.

Er selbst ist über 50 Jahre alt und gilt damit als „Gold-Kategorie“. Die AFIA, ein südamerikanischer Fußballverband für „alte Herren“, organisiert das Turnier und klassifiziert die Mannschaften in fünf solcher Kategorien. Ab 40 Jahren geht es mit „Bronze“ los. Dann geht es über die Edelmetalle bis zur „Saphir“-Klasse für jeden über 64 Jahre.

Brasilianische Lebensfreude ist überwältigend

Mit Ex-Profi Matthias Müller (64, li.) nimmt Organisator Mirko Naumann (53) einen echten Könner mit.
Mit Ex-Profi Matthias Müller (64, li.) nimmt Organisator Mirko Naumann (53) einen echten Könner mit.  © Christian Juppe

Dass ein deutsches Team bei der Copa Brasil teilnimmt, ist keineswegs selbstverständlich. Erst vor drei Jahren gab es die ersten AFIA Turniere außerhalb von Südamerika.

Mirko Naumanns Beziehung zu Brasilien ist dagegen schon älter. „Vor genau 20 Jahren lernte ich einen brasilianischen Toningenieur in Dresden kennen“, erzählt der Kesselsdorfer.

Es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, und bald folgte die Einladung nach Südamerika. „Ich war völlig überwältigt von dem Land und den Menschen, die dort leben“, erinnert er sich.

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Besonders das „brasilianische Lächeln“ habe ihn begeistert. „Die Menschen strahlen eine unglaubliche Lebensfreude aus - und das jeden Tag!“

Diese Lebensfreude spürten auch seine Kesselsdorfer Mannschaftskollegen, als sie 2014 zur WM nach Brasilien reisten.

Vor Ort schauten sie nicht nur beim Fußball zu, sondern traten auch selbst in einem Freundschaftsspiel gegen den Verein Minas Brasília an.

Auch "Copa-Alemanha" denkbar

Bei den reiferen Semestern geht's in der Umkleidekabine etwas lockerer zu. Salben für die müden Knochen gehören mittlerweile dazu.
Bei den reiferen Semestern geht's in der Umkleidekabine etwas lockerer zu. Salben für die müden Knochen gehören mittlerweile dazu.  © Christian Juppe

Mirko Naumann beschreibt dieses Spiel, trotz der Niederlage, als „Initialzündung“ für weitere.

Im Oktober 2018 kickte die SG Kesselsdorf als erste deutsche Mannschaft überhaupt bei einem AFIA Turnier in Portugal.

Dieses Jahr geht es nach Brasilien. Dort steht für den IT-Chef aber nicht der Sieg im Mittelpunkt: „Ich möchte, dass die Mannschaft Spaß hat und das Land kennenlernt.

Vielleicht können wir nächstes Jahr sogar mit mehreren Mannschaften antreten. Auch eine „Copa Alemanha“ in Deutschland wäre denkbar.“

Doch bevor es eine Copa Alemanha gibt, geht es erstmal einmal nach Recife, wo die alten Herren aus Kesselsdorf zeigen wollen, was sie können.

Für Ex-Nationalspieler Matthias Müller schließt sich ein Kreis

Müller (re.) war dabei, als Dynamo Dresden in der Saison 1979/80 im Europapokal gegen den VfB Stuttgart antrat.
Müller (re.) war dabei, als Dynamo Dresden in der Saison 1979/80 im Europapokal gegen den VfB Stuttgart antrat.  © imago sportfotodienst

Auch Matthias Müller (64) ist in Recife dabei. Für ihn ist es die erste Reise nach Südamerika. Der Dresdner kam als Jugendlicher zur SG Dynamo Dresden und spielte sich als Außenverteidiger in die Oberligamannschaft des Vereins.

Es folgte der Sprung in die Nationalauswahl der DDR, gekrönt von Silber bei den Olympischen Spielen 1980.

Mit der Nationalmannschaft wollte er auch am 24. Januar 1981 zu einer Südamerika-Tournee aufbrechen. Doch am Flughafen Berlin-Schönefeld kam es anders.

„Es war niederschmetternd“, sagt Matthias Müller heute. Mitarbeiter der Staatssicherheit nahmen ihn und zwei seiner Mannschaftskollegen fest - wegen des Verdachts auf Republikflucht bzw. Mitwisserschaft.

Der Profifußballer wurde aus seinem Verein ausgeschlossen und lebenslang für die erste und zweite DDR-Liga gesperrt - brutal!

Jetzt kann Müller die Reise niemand mehr verbieten

Matthias Müller geriet einst ins Visier der Stasi, durfte nicht mit der DDR-Elf nach Südamerika. Das holt er jetzt nach.
Matthias Müller geriet einst ins Visier der Stasi, durfte nicht mit der DDR-Elf nach Südamerika. Das holt er jetzt nach.  © Christian Juppe

Trotzdem will Müller am 9. November entspannt zum Flughafen fahren: „Ich freue mich sehr auf das Land, die Leute und unser Team.“

Das kann er auch: Für alle Fußballer und deren mitgereiste Begleitungen besteht die Möglichkeit, nach dem Turnier eine Reise zu Brasiliens Wahrzeichen zu unternehmen.

Matthias Müller will dieses Angebot nutzen. Sein Höhepunkt steht schon fest: „Unsere Ausflugsziele versprechen einige Highlights, aber der Besuch von Rio de Janeiro mit dem Wahrzeichen des Zuckerhuts ist, glaube ich, nicht zu übertreffen.“

Doch vor dem Vergnügen kommt der Sport. Im ersten Spiel muss er sich mit den Kesselsdorfern dem dreifachen Turniersieger Minas Brasília stellen.

Bei voraussichtlich über 30 Grad Lufttemperatur ein hartes Stück, aber der ehemalige Profi Müller sieht nicht den Sieg als Ziel: „Ich möchte verletzungsfrei durch die Spiele zu kommen. Der Spaß steht im Vordergrund.“

Die Sanktionen der DDR haben die Wende glücklicherweise nicht überstanden. Der studierte Sportwissenschaftler spielt wieder in der SG Dynamo Dresden – diesmal in der Senioren-Mannschaft. Auch die Reise nach Südamerika wird ihm jetzt keiner mehr verbieten.

Die Stadt Recife liegt am Atlantik nicht allzu weit vom Äquator entfernt.
Die Stadt Recife liegt am Atlantik nicht allzu weit vom Äquator entfernt.  © 123RF

Titelfoto: Christian Juppe

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