So bunt ist Schwarz-Weiß: Dresdner Musikfestspiele facettenreich gestartet
Dresden - "Schwarzweiß", so lautet das Motto der Dresdner Musikfestspiele 2023. Dieser Titel ruft nicht nur die Tasten des Klaviers auf, des zentralen Instruments im diesjährigen Programm. In der Tat haben die ersten vier Festivaltage eindrucksvoll bewiesen: Schwarzweiß ist alles andere als farblos, sondern schillert bunt in vielen musikalischen Facetten.
Am Donnerstag waren die Musikfestspiele im Kulturpalast eröffnet worden - mit einem Konzert der Münchner Philharmoniker unter Leitung von Tugan Sokhiev (45).
Das Programm war eine so ungewöhnliche wie passende Zusammenstellung von Werken Schostakowitschs (6. Sinfonie) und Mahlers (4. Sinfonie, Solistin: Christiane Karg). Ein gut verkauftes Konzert, mit viel Applaus bedacht.
Das Gleiche galt für den mit Spannung erwarteten Auftritt des katalanischen Meisters Jordi Savall (81) und des Orchesters "Le Concept des Nations" in der Reihe "Originalklang" in der annähernd ausverkauften Frauenkirche am Samstag, mit Beethovens "Missa solemnis".
Eine überzeugende, virtuose, tief bewegende Aufführung samt dem hervorragenden Chor "La Capella Nacional De Catalunya" und den famosen Solisten (Rachel Redmond, Olivia Vermeulen, Martin Platz, Manuel Walser).
"Ophelia" im Dresdner Schauspielhaus
Dazwischen ein hinreißender Leckerbissen am Freitagabend im Schauspielhaus: Die österreichische Sopranistin Anna Prohaska (40) und Schauspieler Lars Eidinger (47) gastierten mit ihrem Programm "Ophelia", begleitet von Pianist Eric Schneider (60).
Mit "Ophelia"-Liedern von Brahms, Strauss oder Schumann ("Herzeleid") machte sich die charismatische Interpretin Shakespeares tragische Frauenfigur jenseits aller Wasserleichenhaftigkeit kraftvoll zu eigen.
Der sonst so berserkernde Bühnen-Star Eidinger nahm sich dagegen völlig zurück, schlich mit rot lackierten Fingernägeln im zu großen Anzug um sie herum, rezitierte im Dialog mit Prohaskas Gesang aus "Hamlet" und Heiner Müllers "Hamletmaschine" - und sang die "Ballade vom ertrunkenen Mädchen" aus dem "Berliner Requiem" von Brecht/Weill.
Seiner stimmgewaltigen Partnerin blieb er damit lustvoll unterlegen. Danach legte Eidinger im froschgrünen Pulli als DJ auf, "Anti Disco" hieß sein Set. Eines der projizierten Mottos: "Can't stop the Hardcore" von Scooter-Philosoph H.P. Baxxter (59).
Weltklasse-Pianist im Großen Garten, "Grandbrothers" in der Reithalle
Für eine Sternstunde sorgte der US-amerikanische Weltklasse-Pianist Emanuel Ax (73) am Samstagnachmittag im Palais Großer Garten: Für sein Programm mit Werken von Schubert und Liszt wurde er lautstark gefeiert.
Am Abend eine ganz andere Sound-Farbe: Im Rahmen der Festival-Reihe "Classical Beats" war im Spielort Reithalle das Duo "Grandbrothers" zu erleben.
Die Musiker Erol Sarp (Klavier) und Lukas Vogel (Electronics) kombinieren Flügel und Computer zu Loop-grundiertem, mitunter wummerndem, elektronischem Experimental-Pop.
Sie kreierten damit einen Minimal-Music-Einschlag - wild und faszinierend.
"Nederlands Philharmonisch Orkest" im Kulturpalast
Der Sonntagvormittag gehörte im Kulturpalast dem Ex-Intendanten der Musikfestspiele, Hartmut Haenchen (80), und dem "Nederlands Philharmonisch Orkest". Alle fünf Jahre, zu runden Geburtstagen, ist Haenchen zu Gast.
Die Brüder Lucas und Arthur Jussen intonierten Mozarts Konzert für zwei Klaviere und Orchester KV 365, nach der Pause fesselten Dirigent und Orchester mit Bruckners Siebter - das Publikum dankte mit Ovationen im Stehen.
Zeitgleich in der Semperoper durchmaß die Staatskapelle unter Christian Thielemann (64) im ersten Auftritt zum "10. Symphoniekonzert", der in das Programm der Musikfestspiele integriert ist, Mahlers Dritte.
Den Tag beschließen sollte die Pianistin Hélène Grimaud (53) mit einem Solo-Ritt.
Die 53-Jährige spielte Werke Bachs, Beethovens und Brahms im Dresdner Kulturpalast.
Titelfoto: Montage: Oliver Killig (2), Stephan Floss