Top oder Flop? Experte checkt Dresdner Wahlplakate!
Dresden - Sie sind (fast) überall: Verteilt im gesamten Stadtgebiet hängen Plakate, auf denen Parteien und Politiker um Stimmen für die Kommunalwahlen (9. Juni) werben. Ist das in Zeiten von Kampagnen im Internet und sozialen Medien überhaupt noch sinnvoll?
"Ja", sagt Professor Lutz Hagen (62), Direktor des Institutes für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden. "Plakate sind das sichtbarste Werbemittel im Wahlkampf und erreichen fast jedermann."
Im Gegensatz zu sozialen Medien können sich die Leute auch nicht so stark aussuchen oder filtern, was sie sehen wollen (und was nicht).
Parteien, Politiker oder Themen können also bekannt gemacht werden, gerade für die Kommunalwahlen.
Doch sollten dafür Aufmachung und Botschaft auch gut passen! Für TAG24 hat der Kommunikations-Profi einige Plakate ausgewertet ...
CDU: Anke Wagner und "Wem gehört die Straße?"
"Ihr Foto ist von guter Qualität, kein Passbild-Stil. Jeder versteht sofort, was es bedeutet: Sie packt an, sie kann es. Und gleichzeitig setzt sie ein feministisches Statement damit. Denn das Motiv stammt eigentlich aus der Kriegswirtschaft der USA um 1942, als Frauen in der Industrie mit angepackt haben. Es ist später auch zur Ikone der Frauenbewegung geworden. Vielleicht wundern sich einige Leute über den Satz in Englisch. Aber auch ohne die Hintergründe zu kennen, versteht man, dass es eine anpackende Kandidatin der CDU ist."
"Wem gehört die Straße? Eine spannende und wichtige Frage mit ziemlich vielen Symbolen. Aber das Plakat gibt keine Antwort und es will auch keine Antwort geben. Nur was soll das dann? Was soll am Ende dabei herauskommen? Wählen Leute jetzt die CDU, nur weil sie die Frage so spannend finden? Überzeugt mich nicht. Und übers Gendern kann man sich natürlich streiten. Aber dass in dieser Partei nur die Kandidaten Antworten haben, ist eine Deutung, die man in Kauf nehmen muss."
FDP: "Klick-klick statt Tuut-tuut auf dem Amt"
"Klick-klick statt Tuut-tuut auf dem Amt. Das begreift man in drei Sekunden nicht, vor allem beim Vorbeifahren im Auto. Immerhin eine klare Botschaft mit kommunalem Bezug: Bürgerservice digitalisieren. Aber die Darstellung ist schwierig: kein richtiges Bild und zu viele Wörter. Mit Smiley im WLAN-Zeichen und dem Barcode versucht man wenigstens Bildelemente zu integrieren. Farblich erregt es Aufmerksamkeit und steht insbesondere mit dem Gelb auch für die FDP."
Grüne: "Einfach sicher ankommen"
"Wer ist der Mann, ein Kandidat? Und warum trägt er keinen Helm, wo es doch um Sicherheit geht? Das sind meine ersten Gedanken. Warum fährt er so nah an der Bahn? Einfach sicher ankommen ist zwar eine klare Botschaft, aber die Umsetzung mit dem Mann im Vordergrund finde ich nicht so gelungen, auch die Farben. Bisschen viel Rot für ein Plakat der Grünen."
SPD: "Ulli braucht geordneten Verkehr"
"Ich bin ratlos. Wer ist Ulli? Und welche Art Verkehr ist da gemeint? Ach, wenn es wirklich um den Ullersdorfer Platz geht, hätte vielleicht ein Bild geholfen. Viele Leute, die nicht dort wohnen, werden wie ich rätseln. Ansonsten ist der satt rote Hintergrund mit weißer Schrift klar erkennbar als SPD. 'Weil's jetzt drauf ankommt' - ist eine Floskel und relativ nichtssagend."
AfD: "AfD wählen, Demokratie stählen!"
"Für ein reines Textplakat ist die Aufmachung gelungen. Eine klare Aufforderung, ein Thema in vier Wörtern. Die Botschaft hingegen ist mir nicht klar. Will man sich als Demokratie-Verteidiger darstellen, der die Demokratie doch nicht stehlen will? Stählen als Wort erinnert an rechtsradikale Diskurse und verweist auf eine angeblich typisch deutsche Eigenschaft. Die Farbe Blau war im Parteienspektrum noch frei, das hat die AfD für sich belegt, auch in Verbindung mit dem Rot."
BSW: "Gier oder Gerechtigkeit?"
"Das Foto ist professionell gemacht. Sahra Wagenknecht wirkt mit leichter Unterperspektive auch ein bisschen dominant. Aber sie ist ja auch der Mittelpunkt der Partei. Das ist das, was die zu bieten haben. Gier oder Gerechtigkeit - naja - das ist eher ein überregionales Thema. Das Wichtigste ist die Person, die hier gut inszeniert wird."
Team Zastrow: "Einfach machen!"
"Komplett schwarzer Hintergrund - eine Botschaft von der dunklen Seite? Dazu erinnert mich eine der Schriftarten an den Vorspann von Star Wars. Das Gelb könnte auch an Zastrows FDP-Vergangenheit erinnern und verweist zusammen mit dem Schwarz natürlich auf Dresden. Die Botschaft - einfach machen - ist doppeldeutig. Eigentlich versucht man das zu vermeiden, aber in dem Fall ist es super einfach und verständlich. Vielleicht wäre noch ein Hinweis hilfreich gewesen, was er einfach machen will. Was fehlt ist eigentlich sein Bild, das allerdings auf dem zweiten Wahlplakat des Bündnisses zu sehen ist."
Piraten: "Bäder erhalten, Freiräume schaffen"
"Haha, ja, passt schon. Das Foto hätte man vielleicht ein bisschen professioneller gestalten können. Aber so passt es auch irgendwie zur nicht so arrivierten Piratenpartei. Bäder erhalten ist eine klare Botschaft, die viele ansprechen wird. Der Name unten ist allerdings in dieser Aufmachung etwas unleserlich."
Freie Bürger: Marco Reissmann
"Stark im Dresdner Stadtrat - die Botschaft ist sehr kleingeschrieben und steht weit unten, wirkt so nicht besonders glaubhaft. Sie passt insbesondere nicht zu dem Bild des Kandidaten, der bestenfalls freundlich, aber eher zurückhaltend und konform wirkt. Was die vielen Striche sollen, weiß ich nicht."
Kommentar von Hermann Tydecks: "In Wort und Bild"
Alle paar Jahre ist es wieder so weit: Lächelnde Politiker hier, mehr oder weniger verständliche Botschaften in Wort und Bild dort - auch in Dresden stehen Wahlen an. Gleich 15 Bündnisse machen mit Plakaten auf sich und ihre Kandidatinnen und Kandidaten allein für den Stadtrat aufmerksam.
Diese Fülle macht sich bemerkbar, Tausende Plakate hängen im ganzen Stadtgebiet. Egal ob kleine oder große Werbe-Schilder: Alle wollen letztlich etwas vermitteln, um potenzielle Wähler zu gewinnen.
Ob ein Wahlplakat gelungen ist oder nicht, kann letztlich jeder selbst entscheiden. Dem einen reicht ein sympathisches Gesicht, der anderen ein flotter Spruch. Für mich persönlich sollte ein Plakat schon etwas mehr rüberbringen als eine austauschbare Floskel.
Experten arbeiten mit Modellen wie der "AIDA"-Formel, um die Werbewirkung zu analysieren. "AIDA" ist ein Akronym (in Englisch) und steht übersetzt für Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen und Handlung. Letztere steht für die Abgabe der Stimme. Entscheidend ist, dass Botschaft und Gestaltung gut zusammen passen.
Ich finde, in diesem Jahr gibt es schon einige ausgefallene und ungewöhnliche Motive, aber auch die üblichen "Langweiler". Ob ich mich in ein paar Jahren noch an sie erinnere, wage ich zu bezweifeln. Das ist aber auch nicht so wichtig. Wichtig ist es, wählen zu gehen!
Briefwahl wohl mit Rekordbeteiligung
Zwei Wochen vor den Kommunalwahlen (9. Juni) haben laut Rathaus schon mehr als 100.000 Dresdner Briefwahlunterlagen beantragt - Rekord!
Zum Vergleich: Bei den vergangenen Kommunalwahlen 2019 hatten von gut 436.000 wahlberechtigten Dresdnern rund 87.000 via Brief abgestimmt.
Die Unterlagen müssen spätestens am 9. Juni um 18 Uhr im Neuen Rathaus (Dr.-Külz-Ring 19) eingehen, um bei der Auszählung berücksichtigt zu werden.
Titelfoto: Eric Münch