André Schollbach: "Sparen an den DVB ist der völlig falsche Ansatz - Geld ist genug da"
Dresden - In einem Jahr wählen die Dresdner den neuen Stadtrat. Parteien, Fraktionen und ihre Persönlichkeiten bringen sich bereits jetzt in Stellung. Wo setzen sie ihre Akzente, was planen und was fordern sie? TAG24 bittet wichtige politische Köpfe der Stadt zum Gespräch. Diesmal im "Montags-Interview": André Schollbach (44, Linke).
TAG24: Herr Schollbach, die Linke muss nicht nur im Bund, sondern auch im Stadtrat schwere Zeiten durchstehen. Wie schwer wog der Wechsel zwei Ihrer Räte zur SPD?
André Schollbach: Es kommt immer wieder vor, dass zum Ende einer Wahlperiode Ratsmitglieder eine Fraktion wechseln. Fakt ist: Wir sind eine muntere, engagierte Truppe, stehen unseren Mann und unsere Frau und vertreten die Interessen vieler Menschen in Dresden.
TAG24: In einem Jahr ist Kommunalwahl. Was ist Ihr Ziel?
Schollbach: Unser Ziel ist es, so stark zu werden, dass wir dafür sorgen können, dass es wieder gerechter und sozialer zugeht, dass wir auch dem Rechtsruck in der Gesellschaft etwas entgegensetzen.
TAG24: Was ist in Dresden aktuell das größte Problem?
Schollbach: Neben den immer weiter steigenden Mieten wenden wir uns gegen jedwede Pläne, bei den Dresdner Verkehrsbetrieben den Rotstift anzusetzen. Das ist ein völlig verfehlter Ansatz. Viele Menschen sind auf Bus und Bahn angewiesen. Auch der Klimaschutz funktioniert nur mit einem modernen und bezahlbaren Nahverkehr.
Linken-Stadtrat André Schollbach: "Das Geld ist doch da"
TAG24: Wie bewerten Sie das Deutschland-Ticket?
Schollbach: Das Deutschland-Ticket ist eine gute Sache und für viele Bürger eine Erleichterung. Ein anderes Thema ist das Sozialticket. Das wollen wir – anders als die FDP – verteidigen.
TAG24: Das Sozialticket und DVB kosten Geld. Wo würden sie sparen, um das umzusetzen?
Schollbach: Sparen heißt, Leistungen zu kürzen. Das geht gerade in der jetzigen Situation nicht. Das Geld ist doch da. Die Bundesregierung gibt mit einem Sonderprogramm 100 Milliarden Euro zusätzlich für das Militär aus. 100 Milliarden! Dieses Geld kann und muss besser eingesetzt werden. Nämlich für Schulen, Kindergärten, den sozialen Wohnungsbau und die Gesundheitsversorgung in unserem Land.
TAG24: Und ein paar Euro in die Robotron-Kantine und den Fernsehturm?
Schollbach: Beim Fernsehturm sprechen wir über den Respekt vor der DDR-Architektur. Er soll der Öffentlichkeit endlich wieder zugänglich gemacht werden. Auch der Erhalt der Robotron-Kantine geht auf unseren Antrag zurück. Wir möchten die Idee mit dem Kunsthaus ermöglichen.
Schollbach über OB Hilbert: "Gutsherren-Stil"
TAG24: Herr Schollbach, wir haben eine Haushaltssperre.
Schollbach: Am Ferdinandplatz wird gerade für einen riesigen Betrag ein neues Verwaltungszentrum hochgezogen. Oberbürgermeister Hilbert feiert immer wieder teure Partys auf Stadtkosten. In der gesamten Stadt werden sämtliche 800 Haltestellen-Häuschen abgerissen und durch neue ersetzt. Und gleichzeitig wird behauptet, es sei kein Geld da. Das ist real existierender Irrsinn.
TAG24: Sie persönlich gelten als energischer Hilbert-Widersacher, fechten viele Streitigkeiten juristisch aus. Wäre es nicht sinnvoller, Gespräche zu führen, bevor der Streit öffentlich eskaliert?
Schollbach: Das Problem ist, dass Dirk Hilbert zu oft eine vernünftige Zusammenarbeit mit dem Stadtrat verweigert. Das haben wir bei der monatelangen Blockade der Wahl der Fachbürgermeister erlebt. Er hat mit einer Politik im Gutsherren-Stil vielfach gute Lösungen verhindert. Da regt sich bei uns Widerstand.
TAG24: Sie sind Anwalt, vertreten ihre Fraktion vor Gericht. Dafür kassieren Sie öffentliche Gelder. Besteht hier nicht ein Interessenskonflikt?
Schollbach: Es geht darum, einen selbstherrlichen Oberbürgermeister in die Schranken zu weisen. Wir führen Auseinandersetzungen dann, wenn sie in der Sache geboten sind.
TAG24: Das könnte doch auch ein anderer Anwalt übernehmen.
Schollbach: In aller Bescheidenheit: Die Erfolgsquote spricht für mich.
TAG24: Wie könnte sich Dresden abseits von Großprojekten weiterentwickeln?
Schollbach: Wir sollten Wahltermine nutzen, um kommunale Bürgerentscheide durchzuführen. Damit wurden bereits gute Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2012 konnten wir so die Privatisierung unserer städtischen Kliniken verhindern.
TAG24: ... die uns heute allerdings auch viel Geld kosten.
Schollbach: Das ist ein deutschlandweites Problem. Entscheidend für die Patienten ist, dass die Kliniken nicht privatisiert wurden. Es kann auch nicht zuerst darum gehen, dass sich Krankenhäuser rechnen müssen. Sie sollen eine gute medizinische Versorgung gewährleisten. Gesundheit ist keine Ware.
Schollbach will "Sachentscheidungen in die Hände der Bürger legen"
TAG24: Für welche Sachfragen schweben Ihnen Bürgerentscheide vor?
Schollbach: Ich würde die Bürger fragen: "Wollen wir 3000 neue städtische Wohnungen bis zum Jahr 2030 bauen?"
TAG24: Die Hürden dafür sind aber hoch.
Schollbach: Der Stadtrat kann die Durchführung eines Bürgerentscheids jederzeit beschließen. Es ist eine Frage des Willens.
TAG24: Würde dann aber nicht Populisten Tür und Tor geöffnet? Etwa bei der Frage, ob Flüchtlinge in Wohnungen, Containern oder Turnhallen untergebracht werden?
Schollbach: Das sind kurzfristig zu treffende Entscheidungen. Mir geht es um Fragen von langfristiger Bedeutung. Also wo wird eine Brücke gebaut? Wird der Fernsehturm wiedereröffnet? Das hat Folgen für Jahrzehnte.
TAG24: Also sollte man das Volk stärker in politische Entscheidungen einbinden?
Schollbach: Es würde unsere Stadt und die Demokratie stärken, wenn wir wesentliche Sachentscheidungen in die Hände der Bürger legen.
André Schollbach: Zur Person
André Schollbach (44), Jahrgang 1978, kommt gebürtig aus Meißen. Für das Studium zog es ihn 1997 aber nach Dresden.
Der Jurist trat bereits mit 16 Jahren der Linken bei, sitzt für seine Partei seit 24 Jahren im Stadtrat. Er ist dort auch der dienstälteste Vorsitzende aller Fraktionen.
Der Familienvater wohnt in fester Partnerschaft und mit zwei Kindern in Loschwitz.
Privat besucht er gern Theaterstücke, Kinovorstellungen und die Heimspiele von Dynamo.
Titelfoto: Eric Münch