Dresdens Grünen-Chefinnen: "Sind große Freunde von Tempo 30 in der Stadt"
Dresden - In einem Jahr wählen die Dresdner den neuen Stadtrat.
Parteien, Fraktionen und ihre Persönlichkeiten bringen sich bereits jetzt in Stellung.
Wo setzen sie ihre Akzente, was planen und was fordern sie?
TAG24 bittet wichtige politische Köpfe der Stadt zum Gespräch.
Heute im "Montags-Interview": Christiane Filius-Jehne (67) und Agnes Scharnetzky (36).
Gemeinsam führen sie die Fraktion der Grünen im Stadtrat.
Wünschen sich die Grünen die Einschränkung von Feuerwerken?
TAG24: Frau Filius-Jehne, Frau Scharnetzky, die Grünen werden von vielen Menschen als Verbotspartei wahrgenommen. Wie stehen Sie als Fraktionsvorsitzende im Stadtrat zu diesem Image?
Scharnetzky: Meine Wahrnehmung ist, dass dieses Bild insbesondere in den Medien vorherrscht. Wir appellieren an die Verantwortung, sich Herausforderungen wie dem Klimawandel zu stellen und damit Lebensqualität zu erhalten.
TAG24: Wie sehr wünschen sich die Grünen noch die Einschränkung von Feuerwerken?
Filius-Jehne: Wir haben nichts gegen zentral organisierte Feuerwerke, etwa zu Silvester am Theaterplatz. Doch wir sind dagegen, dass jeder zu jedem Anlass eigene Raketen und Böller durch die Gegend schießt. Spätestens durch die Trockenheit der letzten Jahre sollte jedem klar sein, warum.
Wo kann Dresden noch Einnahmen erhöhen?
TAG24: Mit Blick auf die Kommunalwahl 2024: Was unterscheidet Sie von SPD und Linken?
Filius-Jehne: Unser Alleinstellungsmerkmal ist der sozial verantwortliche Klimaschutz. Den wollen wir mit absoluter Priorität behandeln. In der Ratsarbeit sind wir konstruktiv und offen für verschiedene Mehrheiten. Bei der Linkspartei gibt es fortschrittliche Kräfte, aber auch welche, mit denen moderne Verkehrspolitik nicht möglich ist. Zur SPD besteht der Unterschied darin, dass wir Grüne das Geld nicht mit der Gießkanne ausgeben.
TAG24: Wo würden Sie Möglichkeiten sehen, die Einnahmen der Stadt noch zu erhöhen?
Filius-Jehne: Werfen Sie einen Blick auf das Thema Anwohner-Parken: Sind die 30 Euro pro Jahr noch zeitgemäß? Hier muss man über eine Erhöhung nachdenken.
TAG24: Die Grünen werden als Partei der Radfahrer betrachtet. Was würden Sie denn tun, um Dresdner Autofahrern das Leben zu erleichtern?
Scharnetzky: Wenn mehr Leute den ÖPNV benutzen oder mit dem Rad fahren, dann würde das den Gesamtverkehr flüssiger machen - zum Beispiel für Pflegedienste und Handwerker. Und wir sind große Freunde von Tempo 30 in der Stadt. Wird der Verkehr langsamer, wird er auch sicherer.
Grün, nicht nur die Farbe der Hoffnung?
TAG24: Sind Sie denn mit der Arbeit Ihres Beigeordneten Stephan Kühn zufrieden?
Filius-Jehne: Herr Kühn hat den Radverkehr in Dresden wesentlich vorangebracht, man denke nur an die erste Dresdner Fahrradstraße. Leider muss er mit sehr knappen Planungsressourcen der Verwaltung klarkommen.
TAG24: Kann sich das Klima im Stadtrat bis zur Wahl 2024 noch bessern?
Filius-Jehne: Die erhitzten Gemüter bei den vergangenen Wahlen der Beigeordneten kühlen langsam ab. Wir alle haben noch viel zu tun - das ist eine große Verantwortung. Doch es gehört zum politischen Geschäft, sich vor der Wahl zu profilieren und klarzumachen, wofür man steht. Das wird es nicht leichter machen.
TAG24: Grün, nicht nur die Farbe der Hoffnung, sondern auch die von Marihuana. Wie bewerten Sie die möglichen Lockerungen beim Thema Kiffen?
Scharnetzky: Da haben wir in der Fraktion verschiedene Sichtweisen. Die Legalisierung kann aus meiner Sicht ein Beitrag zum Verbraucherschutz sein. Es ist erschreckend, wie viele Kids sich auf dem Schwarzmarkt mit "Gras" eindecken und anschließend mit Psychose behandelt werden. Als Gesellschaft ist man da in der Verantwortung. Ich glaube, dass die Legalisierung, wenn sie mit Präventionsmaßnahmen und Aufklärung einhergeht, ein Erfolg sein kann.
Lösung für die DVB-Finanzierungslücke?
TAG24: Deutschlandticket und Asyl: Aus Berlin kommen immer mehr Aufgaben. Wie viel Hilfe kann Dresden von der Bundesregierung erwarten?
Filius-Jehne: Zum Asylthema: Hier kann man auf kommunaler Ebene eine Willkommenskultur schaffen. So, dass die Menschen in den Stadtteilen bereit sind, das mitzugestalten. Eine dezentrale Unterbringung ist ein guter Beitrag der Stadt. Bei der Kostenfrage müssen wir nach Berlin gucken. Die Kommunen dürfen nicht alleingelassen werden.
Scharnetzky: Und bundesweite Entscheidungen wie das begrüßenswerte 49-Euro-Ticket müssen von Bund und Land auskömmlich finanziert werden.
TAG24: Welche Lösung haben Sie denn für die DVB-Finanzierungslücke?
Filius-Jehne: Wir müssen da an die Parkgebühren ran. Doch das Thema findet im Stadtrat keine Mehrheit. Da sind nur die SPD und die Dissidenten auf unserer Seite.
TAG24: Diese Zusatzeinnahmen bleiben also aus.
Scharnetzky: Das betrifft dann aber nicht nur die DVB, sondern auch die Bäder. Irgendwo muss das Geld ja herkommen. Parallel zur Ansiedlung von Unternehmen wie TSMC können wir nicht den ÖPNV zusammenstreichen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Kurze Fragen an die Grünen-Chefinnen Filius-Jehne und Scharnetzky
TAG24: Drei Fragen, drei kurze Antworten. BUGA 2033 in Dresden?
Beide: Ja.
TAG24: Dresdner Fernsehturm wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen?
Filius-Jehne: Ja, aber nicht auf diese Art und Weise. Eine verträgliche Verkehrssituation vor Ort ist bislang nicht in Sicht.
TAG24: Eine mögliche Elbquerung an der Stelle des Blauen Wunders?
Filius-Jehne: Wir haben jetzt die Waldschlößchenbrücke, ob die uns gefällt oder nicht. Die hat Verkehr vom Blauen Wunder abgezogen. Experten haben uns versichert, dass dieses die nächsten Jahrzehnte hält. Wir haben ja viel Geld für die Sanierung investiert. Bezeichnend, dass der CDU nichts Besseres im Wahlkampf einfällt.
Zu den Personen
Seit 30 Jahren hat die studierte Lehrerin (Geschichte/Französisch) und gelernte Buchhändlerin ihren Lebensmittelpunkt in Dresden, arbeitet hier als Lektorin, Redakteurin und Übersetzerin.
Filius-Jehne ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und wohnt auf dem Weißen Hirsch. Ihre Leidenschaft ist die Musik: In ihrer Freizeit singt sie im Chor und spielt Klavier.
Heute ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und lebt mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn in Rochwitz.
Sie kocht gerne: Zum Fest gibt es einen Weihnachtsbraten vom Damwild. Das Fleisch bringt ein befreundeter Jäger.
Titelfoto: Norbert Neumann