SPD-Fraktions-Chefin Dana Frohwieser: "Die Stadt muss endlich ins Machen kommen!"
Dresden - SPD-Fraktions-Chefin Dana Frohwieser (46) war im TAG24-Interview mit Lennart Zielke (27, l.) und Paul Hoffmann (30) und beantwortete Fragen zu den Kommunalwahlen, Verkehrs- und Bildungspolitik und der wirtschaftlichen Zukunft Dresdens, die es zu planen gilt. Nicht immer sind sich die Parteien dabei einig.
TAG24: In knapp einem Jahr ist die Kommunalwahl in Dresden. Was hat sich die SPD für diese Wahl vorgenommen?
Dana Frohwieser: Ganz klar: Die SPD-Fraktion muss wieder deutlich größer werden. Wir haben mit unserer Sacharbeit der letzten Jahre dafür gute Voraussetzungen geschaffen. Besonders wichtig sind uns die Themen Bildung und soziale Infrastruktur. Der Zuwachs aus der Linkspartei und der CDU gibt uns recht.
TAG24: Sie stellten bis zum Herbst 2022 mit Peter Lames einen eigenen Beigeordneten für Finanzen. Streben Sie so eine Besetzung nach der Wahl erneut an?
Dana Frohwieser: Es geht aus unserer Sicht jedenfalls nicht, dass die Verantwortung für die Finanzen beim Oberbürgermeister liegt. Das ist zu viel Macht in einer Person. Das sieht man jetzt schon bei der Haushaltssperre: Hilbert ist die Aufgabe bereits entglitten.
TAG24: Wo sollten denn Schwerpunkte in der Haushaltspolitik gesetzt werden?
Dana Frohwieser: Die Sperre gehört aufgehoben. Keine andere Stadt in Sachsen geht diesen Weg, nachdem am selben Tag eine Einigung zwischen Kommunen und Freistaat erfolgt war. Sie trifft pauschal soziale Angebote, Jugendarbeit, Sport, Förderung von Clubs und Stadtteilprojekten. Das ist verheerend. Dabei ist das für Dresden prognostizierte Defizit auch selbstgemacht.
Parteien in ihren Prioritäten nicht immer einig
TAG24: Das heißt?
Dana Frohwieser: Es wird von allen immer mehr vom Staat oder der Stadt gefordert. Aber FDP, CDU und auch Teile der Grünen sagen gleichzeitig: Wir verzichten auf kommunale Einnahmen im großen Stil. Doch es geht nicht auf, bei wachsenden Aufgaben pauschal auf Sondernutzungs- oder Parkgebühren zu verzichten.
TAG24: Würde die SPD dort ansetzen, um die Einnahmen zu steigern?
Dana Frohwieser: OB, CDU, FDP und Grüne wollen nicht, dass die Innenstadt-Gastronomie dafür zahlt, dass sie Stühle im öffentlichen Raum aufstellt, aber mit steigenden Elternbeiträgen für die Kita haben sie kein Problem. Da setzt die SPD andere Prioritäten.
TAG24: Wie schaut es bei den Parkgebühren aus?
Dana Frohwieser: Wir brauchen den Ausbau der DVB, da müssen wir prüfen, was ein vermittelbares Maß ist. Die Diskussion wird zu einseitig geführt. Beim Anwohnerparken nur die Frage: Wie viel sollen Anwohner zahlen? Es gibt aber auch viele Anwohner, die gerne überhaupt erst einmal die Möglichkeit hätten, ihr Auto abzustellen.
Chipindustrie-Boom fordert neue Arbeitsplätze - doch wohin mit all den Menschen?
TAG24: ÖPNV-Ausbau, etwa das Projekt Stadtbahn 2020 oder die Linie 5 – warum kommt Dresden da nicht aus dem Knick?
Dana Frohwieser: Die Stadt muss endlich ins Machen kommen! Da wünsche ich mir auch von den grünen Beigeordneten mehr. Zudem wird jede kleine DVB-Beschleunigungsmaßnahme ideologisch von einer "Autos-Zuerst-Debatte" ausgebremst. Die wichtige Linie 5 Plauen - Johannstadt spielt bei den anderen Fraktionen gar keine Rolle mehr.
TAG24: Inwiefern halten sie weitere Ansiedlungen von Unternehmen wie TSMC in Dresden für umsetzbar?
Dana Frohwieser: Die TSMC-Ansiedlung ist wichtig. Dafür brauchen die Mitarbeiter aber eine funktionierende Infrastruktur. Die Ansiedlungen sollten nicht zu einem Verdrängungswettbewerb mit dem Handwerk oder mittelständischen Unternehmen führen, die brauchen schließlich auch Fachkräfte.
TAG24: Experten sehen bis 2030 rund 100.000 Arbeitnehmer in der Dresdner Chipindustrie. Die müssen alle irgendwo unterkommen.
Dana Frohwieser: Wir haben immer gesagt: Es war ein großer Fehler, die kommunalen Wohnungen zu verkaufen. Damit verlor die Stadt ihre Rolle als Akteur im Wohnungsmarkt. Nun möchte die Privatwirtschaft Anreize zum Bauen haben. Sozialer Wohnungsbau findet aktuell nicht mehr statt. Wir sollten deshalb der WiD Zuschüsse zum Weiterbauen geben.
Vier-Tage-Woche als Lösung für den Lehrermangel?
TAG24: Sie sind auch bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, möchten vier weitere Gemeinschaftsschulen für Dresden. Die CDU will, dass diese Entscheidung von der jeweiligen Schulgemeinschaft getroffen werden sollte.
Dana Frohwieser: Da hat die CDU recht. Das kann nicht von oben entschieden werden. Nur lässt sie dann entsprechende Maßnahmen vermissen – oder arbeitet auf Landesebene sogar dagegen an. Man muss Schulgemeinschaften unterstützen, sich zur Gemeinschaftsschule zu entwickeln. Ich wünsche mir in jedem Stadtbezirk eine solche.
TAG24: Was halten Sie von einer 4-Tage-Woche an Schulen, um dem Lehrermangel zu begegnen?
Dana Frohwieser: Wo es dieses Modell gibt, wird der fünfte Tag für tolle pädagogische Projekte genutzt. Die Vier-Tage-Woche ist doch keine Lösung des Lehrermangels, es würde nötige pädagogische Unterstützung nur vom Land zur Kommune verschieben.
TAG24: Wie könnte diese Unterstützung aussehen?
Dana Frohwieser: Ich wünsche mir generell, dass Schulen soziale Treffpunkte werden. Wir haben dort Infrastruktur, die abends von Sozialarbeit oder Sportverein genutzt werden kann. Aber auch für die Anwohner vom Jugendlichen bis zum Senioren, die einfach mal jemanden zum Schwatzen treffen möchten.
TAG24: Unsere Gesellschaft nimmt immer mehr Zuwanderer auf. Das macht vielen Angst. Wie möchten Sie dem aktuellen Rechtsruck begegnen?
Dana Frohwieser: Wir haben es hier in Dresden mit Parteien zu tun, die alles bekämpfen, wofür die SPD steht: ein offenes Europa, Demokratie und Solidarität. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Um Themen wie etwa Jugendkriminalität muss man sich kümmern. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass sich die meisten Zuwanderer hier integrieren wollen. Zur AfD: Die Funktionäre sind klar extremistisch. Die meisten Wähler sind es nicht. Wir müssen sie durch gute Sacharbeit und Argumente zurückholen.
Titelfoto: Eric Münch