"Niemand weiß, wie es weitergeht": Wirte erzählen ihr Schicksal
Dresden - Gastronomen aus Sachsen machten am Freitag auf dem Dresdner Neumarkt darauf aufmerksam, wie die Corona-Krise ihre Existenz bedroht. Einige von ihnen erzählten TAG24 ihr Schicksal.
Anja Russig (41), Hotel Kyffhäuser (50 Betten, 300 Gastroplätze) in Großharthau
"Unserem Familienunternehmen sind rund 1000 Gäste pro Woche weggebrochen. Alle Mitarbeiter sind auf Kurzarbeit Null. Und das Schlimmste ist, dass niemand weiß, wie es weitergeht. Ich hoffe, wir müssen niemanden entlassen."
Arturo Gevorgyan (50), Restaurant Classico Italiano, Champagner Lounge, Dresden
"Wir haben am Neumarkt mit hohen Mieten und Null Einnahmen zu kämpfen. Ich muss 32 000 Euro Miete pro Monat zahlen, täglich 6 500 Euro Umsatz erwirtschaften. Ich rechne mit einer halben Million Euro, die ich verliere. Das wirft mich zehn Jahre zurück."
Ricco Geithner (52), "Dresden 1900", "x-fresh"
"50 Mitarbeiter sind komplett auf Kurzarbeit. Doch statt 60 Prozent sollten sie 90 Prozent bekommen, denn ihnen fehlen Trinkgeld und Zuschläge. To-Go-Angebote nützen uns nichts, weil an unsere Standorte am Neumarkt und in der Altmarkt-Galerie menschenleer sind."
Ulf Neuhaus (56), Präsident der Deutschen Barkeeper-Union
"Ich habe das Gefühl, wir werden vergessen. Wir haben keine Lobby. Wenn nichts passiert, rechne ich damit, dass die Hälfte der Branche die Krise nicht überlebt."
Ferenc (56) und Luisa Weidel (29), "Café Europa", Dresden
"Eigentlich ist unser Cafe rund um die Uhr geöffnet. Nun ist es das erste Mal seit 28 Jahren komplett geschlossen. Zehn Mitarbeiter sind auf Kurzarbeit. Manche von ihnen sitzen in einer 40-Quadratmeter-Wohnung und können nichts tun. Für sie ist es besonders schlimm."
Thomas Widmann (55), acht Restaurants (u. a. Burgerei, bodega Madrid) in Dresden
"160 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Wer noch in der Probezeit war, dem mussten wir kündigen. In der Sommersaison hätten wir ab Ende Mai eigentlich 220 Mitarbeiter. Doch jetzt haben wir natürlich einen kompletten Einstellungsstopp."
Kathleen Parma (56) "Ice Rolls"
"Was nützt uns ein Straßenverkauf, wenn die Innenstadt leer ist. Wir haben geschlossen. Hart trifft es Studenten, die als Minijobber ihr Studium oder ihre WG finanzieren müssen. Sie stehen nun mit leeren Händen, ohne einen einzigen Euro da."
Klubnetz Dresden sammelt sich ein Auffangnetz
Mittels Crowdfunding und direkten Spenden haben Dresdner Clubs in der Corona-Krise seit Mitte März rund 54.000 Euro gesammelt.
Felix Buchta vom Klubnetz Dresden sieht das aber eher als "solidarisches Signal".
"Das Geld ist nicht ausreichend, um den 13 Spielstätten, die sich zum Klubnetz Dresden zusammengeschlossen haben, das Überleben zu sichern", sagt Buchta.
Und weiter: "Ohne Zuwendungen von Bund, Land und Stadt ist es auf Dauer nicht möglich, Insolvenzen abzuwenden."
Seit Beginn der coronabedingten Schließungen sendet das Klubnetz beinahe täglich Streams von lokalen DJs, die Musik von Punk bis Techno auflegen.
Ab kommender Woche soll das Kulturangebot noch breiter werden und Konzerte und Tanz umfassen, so Buchta.
Titelfoto: Lutz Hentschel