Nach Ukraine-Flucht in Dresden gestrandet: "Ich war so gestresst, dass ich nicht mal weinen konnte"
Dresden - Weit über 1000 Flüchtlinge aus der Ukraine sind bereits in Dresden angekommen.
In Pappritz hat Victoria Martsenko (39) mit ihren Kindern Jan (7) und Diana (3) Unterschlupf gefunden. Sie flüchteten vor Putins Bomben, mussten ihr Haus in Kiew, ihre Heimat zurücklassen - und Familienvater Roman (43).
Ein Spielplatz in Pappritz, die Sonne scheint, Victoria setzt sich auf eine Bank. Hinter der studierten Dolmetscherin (spricht sehr gut Deutsch) liegen zwei Wochen Horror. Dass Putin ihr ganzes Land zerbombt, war für die Familie unvorstellbar.
"Wir hatten ein schlechtes Gefühl. Aber wir glaubten, dass sich Angriffe auf den Osten beschränken", sagt sie. "Dann wurden wir früh von Explosionen in der Ferne geweckt. Da wussten wir, der Krieg ist da."
Die Familie hatte sich gerade erst ihren Traum vom eigenen Haus am Stadtrand von Kiew erfüllt, war im September eingezogen. "Wir wollten nicht weg. Doch die Explosionen wurden stärker. Es wurde zu gefährlich", berichtet Victoria.
In Kiew gab es schon Panik: Lange Schlangen vor Supermärkten und Tankstellen, viel Stau.
Putins Panzer rückten weiter vor
Mit ihren Kindern und Ehemann floh sie 40 Kilometer westlich zu ihren Eltern in deren Gartenhaus. Doch auch dort wurde es zu gefährlich, nachdem ein Tanklager eines nahen Militärflughafens explodierte. Die Familie flüchtete mit den Eltern weiter Richtung Westen, kam in einem Sanatorium unter.
Bis auf ein paar Sachen im Rucksack, Dokumente, Brot, Brei und einer Puppe hatten sie nichts weiter dabei. "Wir wollten zurück, nicht lange dort bleiben", sagt Victoria. Doch Putins Panzer rückten weiter vor. "Ich war so gestresst, dass ich nicht mal weinen konnte. Ich habe nicht geschlafen, nichts gegessen."
Die Familie fällte die schwerste Entscheidung ihres Lebens: Sicher ist es nur außerhalb der Ukraine. Kaum vorstellbar, wie schlimm die Trennung an der Grenze zu Rumänien war: Männer durften nicht ausreisen, Vater Roman musste zurückbleiben. Pure Verzweiflung.
Victoria: "Die Welt muss Putin stoppen"
Victoria versuchte, für die Kinder stark zu bleiben. Ein Bekannter fuhr die Familie nach Dresden, wo ihre Schwester seit vielen Jahren lebt. In ihrem Haus sind die Flüchtlinge gut versorgt.
Doch wie soll es weitergehen? "Ich weiß es nicht. Physisch bin ich hier, aber in Gedanken in der Ukraine. Und bei meinem Mann. Die Kinder fragen nach Papa, weinen. Roman geht es nicht gut, er ist einsam", sagt Victoria.
Er wolle wie so viele andere Männer die Ukraine verteidigen, sich vielleicht Kämpfern in Kiew anschließen. "Für mich ist das furchtbar. Ich flehe ihn an, im Westen zu bleiben, wo es sicherer ist." Noch schreiben sie sich täglich über den Nachrichtendienst Telegram.
Ihre einzige Hoffnung ist ein schnelles Ende des Krieges. "Ich bin so dankbar, dass wir hier willkommen sind. Doch die Ukraine braucht mehr Hilfe, auch militärisch. Der Westen muss den Luftraum schließen", sagt Victoria.
"Die Welt kann nicht zusehen, wie Millionen Menschen sterben. Die Welt muss Putin stoppen."
Titelfoto: Ove Landgraf