Zwangsadoptionen in der DDR: Neues Büro will altes Unrecht heilen
Dresden - Die Interessengemeinschaft "Gestohlene Kinder der DDR" eröffnet am 18. Dezember 2020 eine Clearingstelle in den Räumlichkeiten der Dresdner Stasi-Gedenkstätte auf der Bautzner Straße. 30 Jahre nach dem Untergang des Arbeiter- und Bauernstaates soll Licht in dieses dunkle Kapitel der Geschichte gebracht werden. "Tagtäglich wenden sich Betroffene an uns. Das Interesse an dem Thema und an Zwangsadoptionen wird immer größer", berichtet der Gründer der IG, Andreas Laake (60).
Andreas Laake ist von Leipzig nach Dresden gekommen, um den Mietvertrag für das Büro zu unterschreiben. Er strahlt eine tiefe Zufriedenheit aus: "Die Arbeit unserer Interessengemeinschaft wird mit dieser Clearingstelle und diesem Büro auf ein neues Niveau gehoben."
Seit gut vier Jahren berät die IG Betroffene, die ihre leiblichen Angehörigen nach Zwangsadoptionen sowie mysteriösen (nur vorgeblichen!?) Fällen von plötzlichem Säuglingstod in der ehemaligen DDR suchen.
In den vergangenen Monaten erfuhr die IG viel öffentliche Anerkennung, gelang es ihr doch, zahlreiche Fälle nach Jahrzehnten aufzuklären und über Jahrzehnte getrennte Familien zusammenzubringen.
"Ich habe Zusagen von der Politik, dass in naher Zukunft eine rechtskonforme Gen-Datenbank nach australischem Vorbild geschaffen wird, wo Betroffene und Suchende sich kostenfrei registrieren lassen können", erklärt Andreas Laake voll Genugtuung. Zudem soll eine fortlaufende Studie begonnen werden, die geschehenes Unrecht untersucht.
Viel öffentliche Anerkennung für die IG
Die Leiterin der Gedenkstätte auf der Bautzner Straße, Uljana Sieber (49), begrüßt Andreas Laake warmherzig.
Dass an diesem geschichtsträchtigen Objekt wieder ein Stück DDR-Geschichte durch die IG aufgearbeitet werden wird, findet Sieber "ausgezeichnet".
Nachdem die Verträge gezeichnet sind, führt Sieber als Hausherrin ihren Gast durch die Ausstellung in der ehemaligen Bezirksverwaltung der Staatssicherheit. Laake hört aufmerksam zu und wird immer stiller.
Beim Besuch der Haftanstalt kommen schreckliche Gefühle hoch
In der einstigen politischen Haftanstalt übermannen ihn schließlich seine Gefühle. Aus seinem Gesicht weicht alle Farbe, als er im Hafttrakt eine Gefangenen-Zelle betritt. "Mein Herz rast. Meine Hände zittern", sagt er.
Seine Augen tasten die Wände der kahlen Zelle ab, alte Bilder kommen hoch: 1984 wollten er und seine schwangere Frau die DDR fliehen. Ihr Plan flog auf und Laake kam ins Gefängnis. Ohne sein Einverständnis entzog ihm der DDR-Staat 1986 den Sohn. 29 lange Jahre suchte Andreas Laake sein Kind, kämpfte er gegen die Systeme. 2013, nach einem Aufruf im Sat.1-Fernsehen, konnte er seinen Sohn dann zum ersten Mal in die Arme schließen.
Laake: "Ich dachte mir damals: Du kannst jetzt gar nicht aufhören. Du musst jetzt zurückgeben und für andere da sein, um sie zu beraten." Knapp drei Wochen noch, dann ist solch eine Beratung eben auch in den neuen Dresdner Räumen möglich.
Titelfoto: Manfred Uhlenhut/dpa