Wenn unsere Freunde und Helfer die Puppen tanzen lassen: Aufklärung am seidenen Faden
Dresden - Nach der Wende gab es in Sachsen sieben Polizeipuppenbühnen - in Leipzig, Chemnitz, Riesa, Aue, Bautzen, Meißen und Dresden. Übrig geblieben ist davon nur eine im Direktionsbezirk Dresden. Im Februar 1994 gegründet, spielen sich die Puppenspieler vom Fachdienst Prävention seit nunmehr 30 Jahren in die Herzen der Kinder und leisten dabei wichtige Aufklärungsarbeit.
Montag, 10.15 Uhr. An der 103. Grundschule in Dresden ist gerade die Hofpause zu Ende. Da strömen fünf 1. Klassen und drei 2. Klassen in die Turnhalle, nehmen auf Matten und Bänken Platz. Vor den Kindern ist schon alles aufgebaut, der gelbe Bus Anton, eine Bushaltestelle und ein Sandkasten mit Sitzbank. Ganz aufgeregt schnattern die Kinder durcheinander. Denn die Polizei ist heute zu Besuch.
Im Rahmen der Aktion "Die Schule hat begonnen" besucht die Polizeipuppenbühne im Direktionsbezirk Dresden verschiedene Schulen. Bis zu 20 Veranstaltungen finden so jedes Jahr in den ersten Wochen des neuen Schuljahres statt. "Um den Kindern spielerisch Verkehrserziehung beizubringen und Regeln, die sie schon kennen, zu festigen", erklärt Polizeioberkommissarin Manja Slupianek (38), eine von vier Puppenspielern und insgesamt 18 Mitarbeitern des Dresdner Fachdienstes Prävention.
"Ob die uns alle hören?", fragt schließlich Polizeihauptmeisterin Marion Wirth (54) durchs Mikrofon und erlangt damit die Aufmerksamkeit der Schüler. Die rufen laut: "Jaaaa!". Doch wo ist eigentlich Poldi, der beliebte Polizeidinosaurier, der an diesem Tag auch dabei sein sollte? "Den sollte doch die Klasse 2d mitbringen", sagt Marion Wirth.
Die Schüler schauen sich fragend an. Keiner weiß, wo Poldi steckt. "Wahrscheinlich in der Küche", vermutet ihre Kollegin Karin Pietzsch (53).
Polizei-Marionetten: Bundesweit sind die Dresdner etwas Besonderes
Während hinter den Kulissen die Fahndung nach Poldi läuft, beginnt das Stück "Flo & Lotta unterwegs". Richard Scholz (29) und Manja Slupianek sind dabei die Strippenzieher - buchstäblich. Sie sprechen und bewegen die beiden Holz-Marionetten Flo und Lotta mit viel Fingerspitzengefühl. Bundesweit sind die Dresdner damit etwas Besonderes. Denn die anderen noch existierenden Polizeipuppenbühnen arbeiten vor allem mit Handpuppen.
Marionetten zu führen, ist dagegen kein leichter Job. "Flo wiegt etwa zehn Kilo, Lotta ist etwas leichter", sagen die beiden. Es könne immer mal ein Faden reißen oder verheddern, auch kurz vorm Auftritt. Und: "Es bedarf schon einer gewissen Übung", sagt Polizeioberkommissar Richard Scholz. "Ich habe etwa ein halbes Jahr lang geübt", meint Manja Slupianek. Eine spezielle Puppenspiel-Ausbildung gäbe es für die Beamten nicht. "Aber man wird von Mal zu Mal besser."
In der Vorführung fahren Flo und Lotta, beides Erstklässler, schließlich von der Schule mit dem Bus nach Hause. Wie es täglich Tausende Kinder in Sachsen auch tun. Doch dabei lauern viele Tücken und Gefahren. So ist Flo der freche und etwas forsche Wirbelwind, der glaubt, alles richtigzumachen, aber sich immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Das sorgt auch bei den Kindern für Aha-Momente. Zum Glück hat er aber seine neunmalkluge Freundin Lotta an der Seite, die ganz genau weiß, wie man die Straße überqueren oder dass man nicht einfach mit Fremden mitgehen sollte, und die Flo so vor so manchem Unheil bewahrt. Auf diese Weise manövrieren sich die beiden durch etliche Verkehrs- und Alltagshindernisse.
Dann ist es geschafft: Flo und Lotta übergeben an Poldi. Unter großem Jubel der Kinder betritt der Polizeidino endlich die Bühne. Bei Tanz und Spiel dreht sich nun alles rund um Verkehrszeichen. Und natürlich darf auch noch jede Klasse ein Foto mit dem Polizei-Maskottchen machen.
Wer versteckt sich eigentlich hinter Poldi?
Fast zur gleichen Zeit wie die Polizeipuppenbühne in Dresden wurde auch Poldi, der Sympathieträger der sächsischen Polizei, vor 30 Jahren ins Leben gerufen. Seitdem wurde er unzählige Male fotografiert. Doch wer Poldi wirklich war bzw. ist, wissen die wenigsten.
Denn während die Puppenspieler auf der Bühne ihr Können zeigen, macht sich Rico Albrecht (49) vom Landeskriminalamt im Geheimen bereit. "Das macht ja die Faszination aus, dass keiner weiß, wer da drin steckt", sagt er. Etwa zehn Minuten braucht er, um in das 20 Kilo-Kostüm zu schlüpfen und sich in den 2,40 Meter großen Poldi zu verwandeln. "Ich brauche immer jemanden, der mir beim An- und Ausziehen hilft", erklärt er. Auch danach ist er in der Bewegung sehr eingeschränkt - nicht nur wegen des langen Schwanzes. Albrecht: "Das ist schon sehr anstrengend und vor allem warm. Aber mir macht das großen Spaß."
Deshalb wird es auch in Zukunft wohl nur Fotos von Poldi und nicht von ihm geben.
Das macht der Fachdienst Prävention
Verkehrserziehung und die Puppenbühne sind nur ein Teil der Aufgaben des Fachdienstes Prävention. So informiert die Polizei in Schulen unter anderem auch über Jugendgewalt, Drogen oder Gefahren im Internet und bietet dazu auch digitale Schulungen für Eltern an.
Weitere Aufgabenschwerpunkte sind Opferschutz, Sexualisierte Gewalt gegen Kinder, Einbruch, Diebstahl und Betrug. Bei Letzterem stehen vor allem Senioren im Fokus der Aufklärung.
Sie sind häufig von Betrugsmaschen wie Enkeltrick, Schockanruf oder Gewinnversprechen betroffen.
Titelfoto: Holm Helis