Dresden - Die denkmalgeschützte Christuskirche in Strehlen ist von tiefen Rissen durchzogen - auch, weil schwere Lkw den Boden erschüttern. Seit Jahren macht eine Interessengemeinschaft um Baumeister Andreas Geißler (69) darauf aufmerksam. Sie erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung.
Vor zwei Jahren sahen Geißler und seine Mitstreiter Gritt Wiening und Sven Thorenz von der Interessengemeinschaft (IG) "Strehlen ist schön - Werte erhalten" erste Risse am Gotteshaus.
Alle drei wohnen in historischen Häusern ringsum, gründeten die IG zunächst, weil ihre eigenen Häuser zu wackeln und reißen begannen.
Dann wurde immer offensichtlicher, dass auch die markante Doppelturm-Kirche reißt. Doch bis heute blieben Bitten um eine Tonnagebegrenzung am Kirchengebäude ein frommer Wunsch!
Resigniert von ausbleibenden Rathaus-Antworten oder ergebnislosen Treffen mit Verwaltungsbeamten sagt Geißler: "Die Herangehensweise der Stadt ist genau wie bei der Carolabrücke. Hinweise werden einfach ignoriert."
Andreas Geißler ist wegen des Zustands der Kirche besorgt
Geißler war über zwei Jahrzehnte vereidigter Bausachverständiger in Dresden - und ist ob des Zustands der Christuskirche ernsthaft besorgt.
"Ein senkrechter Riss verläuft durch eine tragende Säule. Wird die Säule dadurch instabil und bricht, kann die Last des Kirchenbaus nicht mehr sicher abgetragen werden."
Man überlege bereits, in welche Richtung die Kirche fallen werde. "Wahrscheinlich in Richtung Gartenanlage", mutmaßt Gritt Wiening.
Dabei ist der Status quo des Wahrzeichens nach Behördenmeinung gar nicht so schlecht. "Momentan sind die Schäden eher ästhetisch und nicht statisch relevant", betont das Landesamt für Denkmalpflege auf TAG24-Anfrage.
Laut Landesamt für Denkmalpflege ist keine Gefahr im Verzug
Eine Tonnagebegrenzung sei begrüßenswert, "um neben kritischen Erschütterungen eine durch den Schwerlastverkehr gegebene potenzielle Unfallgefahr am Kirchgebäude auszuschließen".
Doch Gefahr sei nicht in Verzug, weil Risse "schon lange zu beobachten" seien und sich Veränderungen "im Zehntelmillimeterbereich" befänden. Ein Sanierungskonzept soll daher erst nach Auswertung des laufenden Riss-Monitorings (läuft bis 2026) erarbeitet werden.
Ob bis dahin eine Umleitung für Laster eingerichtet ist, damit sich vorhandene Schäden nicht verschlimmern? Dafür macht sich mittlerweile auch der Stadtbezirksbeirat Prohlis stark.
"Eine Tonnagebegrenzung wäre leicht umzusetzen, aber die Abwehrhaltung des Baubürgermeisters und des Straßen- und Tiefbauamts ist leider Realität", heißt es von der IG. Eine TAG24-Anfrage dazu ließ die Stadt bislang unbeantwortet.
Kommentar zur Christuskirche: Keine Bagatelle
Von Karoline Bernhardt
Spätestens seit dem Einsturz der Carolabrücke sollten rissige und bröckelnde Bauwerke in Dresden nicht als Bagatelle behandelt werden. Die Brücke brach zusammen, obwohl genau dieses Szenario ein Alptraum für korrekte Verwaltungsbeamte ist. Sie beauftragten doch ihre Gutachten, befolgten geltende Regeln und hatten eine baldige Sanierung schon fest eingeplant.
Jetzt ist es eine Kirche, die ganz offensichtlich zu bröseln beginnt. Weder von innen, noch von außen bleiben Kirch- oder Spaziergängern Risse an der Christuskirche in Strehlen verborgen. Diesmal ist das Gebäude in kirchlicher, nicht in städtischer Hand. Aber die Stadt könnte einfache Hebel bedienen, um das Einsturzrisiko abzusenken.
Laut einem neuen Gutachten könnten durch weniger Lasterverkehr Schwingungen reduziert werden, die sich auf die Rissbildung auswirken. Beauftragt wurde das Gutachten von einer Interessengemeinschaft, die seit Jahren beharrlich auf die zunehmend schadhafte Bausubstanz der Kirche hinweist.
Zwar verweisen Behörden darauf, dass die Risse keine statische Relevanz hätten. Aber ist das wirklich so?
Völlig zu Recht bleiben die Anwohner skeptisch. Eines ist sicher: Sollte die Christuskirche einstürzen - mitten im Wohngebiet, neben Kindergarten und Laubenkolonie - es wäre eine tödliche Katastrophe.