Dresden - 112 Jahre lang wurden in Dresden im großen Stil Bücher gebunden. 20 Jahre lang unter dem Namen "Bindwerk". Nun schließt sich ein Kapitel Dresdner Buchbinde-Geschichte, Fabrikhallen wurden geräumt und alle Mitarbeiter entlassen. Die Auftragslage für hochwertig gebundene Bücher und Kalender war einfach zu schlecht.
Im Jahr 1913 gründete Buchbindermeister Richard Kurth das Unternehmen als Lohnbuchbinderei - kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der Tausende Soldaten allein aus Dresden das Leben kostete.
Die Buchbinderei überlebte ebenso Weimarer Republik und Nazi-Zeit, SED-Regime und Wiedervereinigung. Erst in der Altstadt, dann auf der anderen Elbseite. Zwischendurch auch mal als DDR-Staatsbetrieb namens "VEB Dresdner Kalenderherstellung".
Jetzt ist Franz Bradler (36) dabei, das Geschäft abzuwickeln. Mit Wehmut blickt er zurück.
Er war ein Teenager, als sein Vater den Betrieb 2005 übernahm. "Er hat die Fabrik nach Niedersedlitz verlegt und viel investiert." Vater Axel Voigt kaufte neue Anlagen, stellte auf Ökostrom um und Mitarbeiter ein. Die Belegschaft im Schichtbetrieb wuchs auf rund fünfzig Industriebuchbinder, Maschinenführer, Lager- und Transportarbeiter an. Zweimal wurden Dresdner Bindwerk-Azubis als Bundesbeste prämiert.
Herber Schicksalsschlag: 2016 verunglückte Buchbinderei-Chef Voigt beim Bergsteigen tödlich. Franz Bradler war der einzige volljährige Erbe. "Ich wurde quasi über Nacht zum Geschäftsführer. Aber ich wollte das, was mein Vater mit aufgebaut hat, am Leben halten."
Die erste Zeit lief gut, noch 2019 investierte Bradler sechsstellig in eine Fadenheftmaschine, wurde mit dem "Sächsischen Meilenstein" geehrt.
2024 fiel die Entscheidung: Der Betrieb wird eingestellt
Dann kam Corona, die deutsche Wirtschaft begann ernsthaft zu schwächeln. Immer weniger Mittelständler gaben Bücher, Kalender oder Broschüren zum Binden nach Dresden.
Im Frühling 2024 fiel der Beschluss, den Betrieb einzustellen. Ende November wurde der letzte Kalender gebunden, Ende Januar die Schließung amtlich.
"Angesichts der Auftragslage mussten wir die Reißleine ziehen. Bevor die Binderei insolvent geht, haben wir unsere 35 Mitarbeiter entlassen."
Viele von ihnen würden sich jetzt umorientieren, erzählt der Ex-Geschäftsführer betroffen. Schließlich geht damit Know-how aus Dresden verloren - wahrscheinlich für immer.
Denn als ausgeschlossen gilt, dass Dresdens Industriebuchbinderei in Zukunft wiedereröffnet. Die millionenschweren Industrieanlagen wurden schon verkauft, die Räume unter anderem an die Tafel Sachsen neu vermietet. Der Liquidator: "Das ist ein großer Verlust. Bei der Abschiedsfeier sind Tränen geflossen."