Dresdner Vorzeigeschüler nehmen Minister ins Kreuzverhör: "Bekommen wir eine Klimaanlage?"
Dresden - Die 32. Oberschule in Dresden-Tolkewitz ist eine topmoderne Vorzeigeschule, die Leistungen der 700 Schüler sind überdurchschnittlich. Dass hier am gestrigen Montag acht Zehntklässler vom Unterricht freigestellt waren, hatte einen besonderen Grund. Sie durften Kultusminister Christian Piwarz (48, CDU) im Rahmen des EU-Projekttages 2024 auf Schlagfertigkeit testen.

Vor heißen Eisen verschont blieb der Minister nicht. Gleich zu Anfang fragte etwa Joyce (15): "Sind Sie zufrieden mit Ihrem politischen Handeln?"
Der Minister, der entspannt seine Beine langstreckte, gab sich selbstbewusst: "Im Großen und Ganzen bin ich mit mir als Minister im Reinen. Ansonsten müsste ich zurücktreten."
Bei der Frage, ob denn im Klassenzimmer eine Klimaanlage eingebaut werden könne, musste er passen: "Für die Ausstattung der Schule ist der Schulträger, in dem Fall die Stadt Dresden, zuständig."
In dieser Stunde gab es keinen Schüler, der sich nicht beteiligte. Kein Wunder, wurden doch in die Vorbereitung der Fragen allein zwei Schulstunden investiert.
Der verpasste Lernstoff müsse von den Schülern eigenständig nachgeholt werden, betonte Gemeinschaftskunde-Lehrerin Juliane Scholze (38).

Auch Migrationspolitik ist Thema der Fragestunde

Gaida (17), die vor neun Jahren aus Syrien geflohen war, Verwaltungsfachangestellte werden will, scheute die heiklen Fragen nicht: "Warum werden Flüchtlinge, die sich nicht ans Gesetz halten, nicht abgeschoben?"
Und: "Wie stehen Sie zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge, obwohl das Geld auch in Schulen investiert werden könnte?"
Piwarz deutlich: "Mit diesen hohen Zugangszahlen gelangt das Schulsystem an seine Grenzen. Wir sehen zum Beispiel, dass die Integrationsdauer an Schulen oft mehr Zeit als geplant in Anspruch nimmt. Deswegen muss eine verantwortungsvolle Migrationspolitik auch Grenzen aufzeigen."
Die beteiligten Schüler waren zwar minderjährig, wollten Politik aber trotzdem mitgestalten. Der Kultusminister ermutigte: "Sie müssen schon hörbar werden. Ich bin nicht in allen Punkten ein Freund von Fridays for Future, aber sie haben sich zum Beispiel Gehör verschafft."

Steigende Schülerzahlen

Mehr Schüler - mehr Lehrer: Das Statistische Landesamt verzeichnet seit dem Schuljahr 2009/10 kontinuierlich steigende Schülerzahlen.
Wie die Behörde mitteilt, sind es im laufenden Schuljahr fast 7800 oder 1,9 Prozent mehr Schüler als im Jahr zuvor. An Grundschulen betrug der Anstieg 1,4 Prozent (gesamt: 153.500 Schüler) und an Oberschulen 2,1 Prozent (122.000).
An den Gymnasien waren es 1,9 Prozent (111.000) mehr Lernende. Aktuell besuchen in Sachsen fast 413.000 Schüler die insgesamt 1565 allgemeinbildenden Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft.
Sie werden von mehr als 32.700 voll- bzw. teilzeitbeschäftigten Lehrern unterrichtet. Das waren gut 600 oder 1,9 Prozent mehr als im Vorjahr.
Kommentar: Schule machen
Wissbegierige Schüler auf Konfrontationskurs mit ihrem Minister - solche Fragerunden sollte es häufiger geben. In dieser Prüfungsrunde schlug sich der Minister souverän: Für seinen Auftritt ist die Bewertung mit der Endnote "Gut" angebracht.
Das liegt zum einen daran, dass Piwarz um Nahbarkeit bemüht war. Wie ein lausiger Schuljunge fläzte er sich auf dem Klassenstuhl. Und er ermutigte die acht Ausgewählten mehrfach, selbst aktiv zu werden - etwa den Wunsch nach einer Klimaanlage an den Schülervertreter heranzutragen.
Das dürfte den Schülern gefallen haben. Nur leider kam der Minister nicht umhin, ab und an den Politiker heraushängen zu lassen: mit nebelhaftem Politikersprech und Phrasen, die der Neugierde der Schüler nicht gerecht wurden. Dafür muss man keinem Minister Eintritt ins Klassenzimmer gewähren.
Dennoch schade, dass Regierungspolitiker nicht häufiger ausgefragt werden - auch zu fachfremden Themen. Als Minister ist der Weg zum Fachkollegen nicht weit. Und allein das Signal der Redebereitschaft stärkt das Vertrauen in das politische System.
Das sollte wirklich Schule machen!
Titelfoto: Holm Helis