Dresdens starke Frauen: Die große Palucca war eine Künstlerin der Improvisation
Dresden - Wer der Person Gret Palucca nahe kommen will, muss über den Modernen Tanz gehen. War sie doch eine der Schlüsselfiguren dieser Ausdrucksform. Die Dresdner Ehrenbürgerin prägte das Genre nachhaltig. Bewahrt und fortgeschrieben wird das Erbe an ihrer gleichnamigen Schule.
Wir treffen Professor Jason Beechey (51) sowie seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Angela Rannow (58) und müssen lernen: "Es gibt keine Palucca-Tanztechnik, kein Repertoire", sagt der Rektor, selbst studierter Tänzer.
"Die Idee von ihr ist: Jeder hat seinen eigenen Tanz, hat Emotionen, die er verspürt und einbringt." Rannow ergänzt: "Ihr Hauptprinzip war die Improvisation. Sie hat auf der Bühne improvisiert, improvisierend unterrichtet. Und sie hat ihr Leben improvisiert."
Das Dresden der 1920er sei genau der richtige Ort dafür gewesen. "Sie selbst war ja vorher bei Mary Wigman", erinnert Beechey an eine der anderen Ikonen des Ausdruckstanzes.
Palucca (eigentlich Margarete Paluka) stürzte sich ins pralle Künstlerleben der Stadt. "Durch ihre Schwiegermutter Ida Bienert kam sie mit Leuten wie Kandinsky und Klee zusammen, die sie sehr gefördert haben." 1925 dann die eigene Schule. Bald gab es Zweigstellen in Stuttgart und Berlin.
Bis 1933 kam. Obwohl von den Nazis als Halbjüdin gestempelt, blieb sie, weil Rannow zufolge der moderne Tanz anfangs gefördert wurde. "Aber die öffentlichen Bühnen blieben ihr verschlossen, sie durfte nur privat auftreten."
Tanzpädagogin Gret Palucca war "unerschrocken, kühn und keck"
Eine Ausnahme vom Bühnenverbot bildete ihre Mitarbeit an den Choreografien für die Olympischen Spiele 1936. Nach dem Krieg stimmte sie der Verstaatlichung ihrer Privatschule zu, drohte aber gern mit Weggang, wenn die SED-Kulturpolitik sich einmischte, sagt Rannow.
Und wer war Palucca?
"Sie war unerschrocken und kühn, sie war keck. Jung, frisch und mutig. Sie ist ein Beispiel für jemanden, der sein Leben nutzt, der gestalten will. Ein wunderbares Vorbild. Wir können uns an ihren kreativen Geist anschließen. Es gibt kein Korsett, wir sind sehr frei", so Rannow.
"Sie hat jeden animiert, seine eigene Bewegung zu finden. Es gab bei ihr nicht richtig oder falsch."
In diesem Jahr erfüllt sich für die Nachfolger wieder ein Traum: Erstmals nach zwei Jahren darf wieder die traditionelle Sommerakademie auf Hiddensee stattfinden. Im Geist Paluccas.
Titelfoto: Bildmontage: Palucca Hochschule für Tanz Dresden, PR/Höhne&Pohl