80-Cent-Job: Diese Asylbewerber arbeiten in Dresden für einen Bruchteil des Mindestlohns

Dresden - Wusstet Ihr, dass in Dresden Asylbewerber für 80 Cent die Stunde arbeiten, in der Hoffnung bleiben zu dürfen? TAG24 besuchte fünf Geflüchtete während ihrer Schicht.

Sieben Nationen arbeiten hier an einem Tisch.  © Thomas Türpe

Fünf Tage die Woche, fünf Stunden am Tag, 80 Cent die Stunde.

In aller Ruhe verrichtet Lucio Perez Saavedra (54) in der Holzwerkstatt in Prohlis seine Arbeit, verdient sich neben seiner Grundsicherung etwas dazu, lernt nebenbei Deutsch: "Ich bin dankbar, hier zu sein, will nicht zurück nach Venezuela. Auch in Zukunft wäre ein Job mit Holz gut."

Landsmann Enderson Quevedo Chinchill (28) brach sein Ingenieurstudium ab, um nach Deutschland zu kommen: "Es ist sehr kompliziert in Venezuela. Mein Sohn soll hier in die Schule gehen." Der Traum des jungen Vaters ist, Fahrer bei den DVB zu werden.

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Drei Türen weiter arbeiten zehn Frauen aus sieben Nationen an einem Tisch, hören Radio. Sie sortieren Stoffe aus, nähen Kissen für Pflegeheime oder Stofftütchen für Schulkinder. Darunter die Tschetschenin Malika Terkhoeva (35).

"Meine Kinder sollen in Deutschland eine gute Zukunft haben", träumt die ausgebildete Krankenschwester und sechsfache Mutter.

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Enderson Quevedo Chinchill (28) ist junger Vater und träumt vom Leben in Deutschland.  © Thomas Türpe
Für Malika Terkhoeva (35) ist die Arbeit in der "Frauen AGH" auch eine Pause vom Alltag als sechsfache Mutter.  © Thomas Türpe

80-Cent-Arbeiter sehen ihren Job als Chance

Fachanleiter Mike Gaupisch (53, v.l.) mit dem Ehepaar Louis Ramon Sanchez (45) & Jared Azocar Sanchez (41) bei der Sortierung der Lebensmittel.  © Thomas Türpe

Bei der Tafel in der Südvorstadt koordiniert Mike Gaupisch (53) die Arbeitsschritte von Anlieferung über Sortierung bis zum Verkauf: "Menschen aus komplett anderen Kulturkreisen lernen hier unser Verständnis von Pünktlichkeit und Zusammenarbeit. Manchmal geht das erstmal nur mit Übersetzer auf dem Handy, aber es gibt immer jemanden in den Arbeitsgruppen, der Deutsch kann."

Unter den Arbeitern ist auch das Ehepaar Louis Ramon Sanchez (45) und Jared Azocar (41) aus Venezuela. Beide warten auf ihre Asylgenehmigung: "80 Cent Stundenlohn sind wirklich nicht viel. Aber wenn wir bleiben dürfen, wird dieser Job helfen, eine neue Arbeit zu finden."

Für 144 deutsche Langzeitarbeitslose und 130 Asylbewerber bietet Solveig Buder (54) Jobs an: "Der erste Schritt zur Integration ist auf dem Arbeitsmarkt. Darüber hinaus erhalten die Menschen bei uns Hilfe mit Bürokratie und Organisation. Wir fördern, wo wir nur können, also dürfen wir auch viel fordern", unterstreicht die Geschäftsführerin des Vereins "Jugend. Arbeit. Bildung".

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Die Zusammenarbeit mit dem Sozialamt, welches Asylbewerber in die Jobs vermittelt, habe einen "wunderbaren Spirit", berichtet Solveig Buder. Zurzeit gibt es in der Stadt genau diese 130 80-Cent-Jobs für genau 1187 Asylbewerber.

Lucio Perez Saavedra (54) arbeitet in der "Holzwerkstatt" im ehemaligen Kamerawerk.  © Thomas Türpe

Was bekommt man eigentlich für 80 Cent?

80 Cent pro Stunde - dieser Betrag ist im Asylgesetz reguliert.  © IMAGO/Steinach

Kein Brot, keinen Kaffee, keine Kugel Eis, keine Briefmarke, kein Tram-Ticket: "Mit 80 Cent in der Tasche ist es wirklich schwer, sich etwas "zu leisten."

500 Gramm Haferflocken, in der Saison eine Salatgurke, ein Bio-Ei. Sind drei Dinge, die man sich nach einer Stunde Arbeit genehmigen kann.

Nun arbeiten Asylbewerber aber nach bundesweit gültigem Gesetz bis zu fünf Stunden täglich, verdienen demnach pro Arbeitstag ganze vier Euro. Wofür man wiederum keinen Döner, keine Parkeisenbahn, kein Zoo-Ticket bekommt.

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Arbeitseinsätze auch anderswo

Auch die anderen Landkreise Sachsens bestätigen, "arbeitsfähige, nicht erwerbstätige" Asylbewerber zur Arbeit zu verpflichten.

Dabei bleiben die Landkreise auf Angebote aus den Kommunen angewiesen, um Asylbewerbern einen Job überhaupt vermitteln zu können. Diese Angebote wiederum sind von den finanziellen Kürzungen der Kommunen im Sozialwesen gefährdet.

"Wir haben 2024 ein erstes Projekt mit Asylbewerbern umgesetzt, bei dem sich keiner der Beteiligten verweigert hat. Das befristete Projekt ist inzwischen ausgelaufen", berichtet etwa die Sprecherin vom Amt Bautzen.

Denn anfallende Sach- und Personalkosten für Anlieger müssen die Kommunen tragen.

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