Das Kugelhaus und sein prominenter Vorgänger!
Dresden - Sommerzeit ist Reisezeit. Die Tage sind lang und meist lau, Fernweh macht sich breit. Doch in Zeiten deftiger Teuerungen und unsicherer Fernverbindungen lohnt ein Blick in die Heimat. Wohl dem, der in Sachsen lebt. Der Freistaat ist reich an Sehenswürdigkeiten. Doch es muss nicht das prachtvolle Schloss oder die alte Burganlage sein – zwischen Zwickau und Zittau befinden sich zahlreiche geheimnisvolle Orte, die eine Entdeckung wert sind. Die TAG24-Sommerserie hat sie aufgespürt. Heute: die Dresdner Kugelhäuser.
Es war die Sensation des Jahres 1928 im Deutschen Reich: Dresden hat ein Kugelhaus! 1938 wurde es abgerissen, die Sensation geriet zum Mythos.
Doch wo genau stand es? Und was hat es mit den vermeintlichen Nachfolgern auf sich?
Dresden im Jahr 2005. Die traditionsbewusste Bürgerschaft ist so gar nicht amüsiert, was da am Wiener Platz entstanden ist. "Das soll der Nachfolger von unserem Kugelhaus sein?!" Alles Glas, so eingequetscht, überall Geschäfte.
"Der Bezug zum alten Kugelhaus war gar nicht geplant", lacht Siegbert Langner von Hatzfeldt (75). Der Professor ist Dresdens bekanntester unbekannter Architekt. Von ihm stammen vornehmlich leichtfüßige Villen am Elbhang und schneeweiße Mehrfamilienhäuser überall in der Stadt. D
ie Neugestaltung der Prager Straße geht ebenso auf sein Konto wie die des Wiener Platzes, die Straßenbahnstationen Kesselsdorfer Straße und Strehlener Bahnhof – und eben das Kugelhaus.
"Es begann alles mit Würfelhäusern"
"Es begann alles mit Würfelhäusern dort, die keiner haben wollte", erinnert sich der Architekt. "Da schlug der Chef der Aufbaugesellschaft Prager Straße zur besseren Vermarktung vor: Bauen wir doch 'ne Kugel hin."
Hinein sollte ein Wissenschaftszentrum, das auf mehreren Glasebenen Dresdner Forschung populär vermittelt.
Außen Solarzellen drauf, drinnen innovative Klimatechnik. Besonders der damalige TU-Kanzler Alfred Post (1942-2005) engagierte sich dafür. Dann aber starb Post und mit ihm das hoch angesiedelte Engagement fürs Zentrum.
"Da war Krieger zur Stelle", erinnert sich Architekt von Hatzfeldt. Gemeint ist Möbel-Baron Kurt Krieger (74). Damit die Kugel nicht stirbt, ließ der Berliner auf Kaufhaus umplanen. "Ein echter Mann der Tat!"
Die Kugel wurde zum Treppenhaus
Allerdings brachte die neue Nutzung funktionale Anforderungen mit sich, die die Leichtigkeit löschten. Beispielsweise wurde die Kugel nun zum Treppenhaus.
"Aber sie ist ein Nachfahre der alten Idee von 1928", verteidigt er das Ergebnis. "So wie das alte Kugelhaus in seiner Fortschrittlichkeit eine Sensation war, so innovativ ist das neue aus konstruktiver Sicht."
Diese Errungenschaften teilen sich die Kugelhäuser mit ihrem dritten Bruder: dem Kugelhaus in der Gläsernen Manufaktur. Die Murmel wurde wie die Fabrik 2001 eingeweiht.
"Das Innere wird als Projektions- und Präsentationsfläche genutzt. Derzeit wird unter anderem der Einführungsfilm für die Besucherführung gezeigt", so ein Sprecher von VW Sachsen. "Das originale Kugelhaus hatte einen Durchmesser von 24 Metern. Die Gesamthöhe betrug 26 Meter, wobei das Erdgeschoss als Sockel ausgebildet war. In der Kugel selbst befanden sich fünf Etagen. Das Kugelhaus in der Gläsernen Manufaktur hat einen Durchmesser von zwölf Metern."
Übrigens: Kaum 200 Meter entfernt befand sich das Original. Konkret zwischen den Bahnsteiguhren der heutigen Parkeisenbahn ...
Nur das letzte Fenster erhalten
Am Ende fehlte die Kraft. Jahrelang bemühte sich der Verein Dresdner Kugelhaus um eine würdige Wahrung des Andenkens an den Bau von 1928.
Zurzeit befindet man sich in der Liquidation.
Der Verein entwickelte das Projekt "Neues Dresdner Kugelhaus" und sicherte das letzte verbliebene Originalteil, ein Fenster. Das war mit zwei "Geschwistern" in einem Hühnerstall im sächsischen Schmiedefeld verbaut.
Der Tipp kam von einem emeritierten Denkmalschützer.
Der Verein konnte von den Grundstückseigentümern ein Fenster übernehmen, dessen Restaurierung Kurt Krieger (74) als Eigner der Kugel am Wiener Platz übernahm.
Heute befindet es sich im Lapidarium der Stadt (Zionskirche).
Titelfoto: Bildmontage: Steffen Füssel &