Das Geheimnis der Eigenheim-Platten in Dresden-Meußlitz

Dresden - Fern von großen Straßen liegt in Meußlitz eine versteckte DDR-Eigenheimsiedlung. Völlig überraschend will die Stadt diese Kettenhaussiedlung jetzt als Zeugnis der "Ostmoderne" mit einer Erhaltungssatzung unter Schutz stellen. Doch was macht diese Bungalowsiedlung im Osten der Stadt so bedeutend, dass zukünftig jeder Umbau vom Amt genehmigt werden müsste?

Rolf Biedorf baute sich als junger "Schichtingenieur" sein Plattenbau-Eigenheim.
Rolf Biedorf baute sich als junger "Schichtingenieur" sein Plattenbau-Eigenheim.  © Norbert Neumann

"Am 7. Oktober 1972, dem Tag der Republik geht's los, am 1. Mai 1973 wird Einzug gefeiert. Da kommt dann auch das Fernsehen. Herzlichen Glückwunsch."

Rolf Biedorf erinnert sich noch genau an diesen Dialog aus der Gründungszeit "seiner" Siedlung. Der heute 80-Jährige arbeitete damals als Schichtingenieur bei Robotron.

Wie von ganz oben aus dem Politbüro gewünscht, sollten sich in einem Gemeinschaftsprojekt 20 Robotroner mit 20 Arbeitern aus dem Baukombinat Dresden zusammentun, die "Interessengemeinschaft Neue Siedlung" gründen und ein "gutes, ein echtes Ausstellungsprojekt" auf den Weg bringen.

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Vereinfacht gesagt floss dafür von Robotron das Geld und vom Baukombinat das Material. Gebaut wurde in Eigenleistung mit WBS-70 Technik, nur eben eine Einfamilienhaussiedlung und kein Plattenbau.

Biedorf wurde zum Finanzchef der Baugemeinschaft, vielleicht gerade deshalb ist die Erinnerung an die DDR-Mangelwirtschaft noch immer so lebendig. "Wir haben mit Kaffee und Pralinen gehandelt. Wir hatten zudem reichlich weiße Badewannen, aber kaum Heizkörperventile. Also wurde auch das getauscht."

Schützenswert oder eine Nebensache? Dresdner Politiker mit verschiedenen Ansichten

40 Häuser stehen in dieser Meußlitzer "Kettenhaussiedlung". Stimmt der Rat zu, wird sie unter Schutz gestellt.
40 Häuser stehen in dieser Meußlitzer "Kettenhaussiedlung". Stimmt der Rat zu, wird sie unter Schutz gestellt.  © Norbert Neumann
Laut Stadtverwaltung handelt es sich hierbei um ein "besonderes Beispiel der DDR-Architektur".
Laut Stadtverwaltung handelt es sich hierbei um ein "besonderes Beispiel der DDR-Architektur".  © Norbert Neumann

Doch ist das schützenswert? Grüne, Linke und Rathaus sagen ja. "Die Siedlung ist ein Zeichen ihrer Zeit mit eigenen, stets modernen Merkmalen", so Stefan Szuggat (53), Chef im Stadtplanungsamt.

Auch die Bau-Expertin im Stadtmuseum, Claudia Quiring (49) betont: "Ein sehr interessantes Projekt."

AfD und CDU sind zurückhaltender. "Nur um An- und Umbauten an den Häusern zu verhindern, sollte keine Erhaltungssatzung erzwungen werden", so AfD-Rat Thomas Ladzinski (32).

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Heike Ahnert (40, CDU): "Wir wollen zuerst mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. Mir scheint: Die Stadt beschäftigt sich hier mit einer Nebensächlichkeit, während wichtige Dinge liegen bleiben."

Chef-Stadtplaner Stefan Szuggat.
Chef-Stadtplaner Stefan Szuggat.  © Steffen Füssel

So kam die Platte in die Siedlung

Im Betonwerk Sporbitz entstanden die Platten für die Dresdner Neubaugebiete - und für die Meußlitzer Einfamilienhäuser.
Im Betonwerk Sporbitz entstanden die Platten für die Dresdner Neubaugebiete - und für die Meußlitzer Einfamilienhäuser.  © SLUB/Deutsche Fotothek
Zu DDR-Zeiten gebaut, prägt die "Platte" noch immer große Teile der Stadt.
Zu DDR-Zeiten gebaut, prägt die "Platte" noch immer große Teile der Stadt.  © imago stock&people

Gebaut wurde in der Meußlitzer Eigenheimsiedlung auch mit den WBS-70 Spannbetonplatten. Die Baugeschichte der Mini-Siedlung ist damit eng verknüpft mit dem größten Plattenbau-Programm (650.000 Wohnungen) der DDR-Geschichte.

Demnach entstanden die Bungalows vom Typ Baukombinat Dresden 4.5 (4 Räume für 5 Personen) und BKD 5.7 (5 Räume für 7 Personen) in erster Linie aus im Sporbitzer Betonwerk gefertigten "Ausschussplatten" des WBS-70 Serientyps.

Typisch DDR-Mangelwirtschaft: In Sporbitz gingen damals die Platten aus. Weil die Politik-Elite das Projekt aber fertig bekommen wollte, wurden die Eigenheimbauer von ihrer eigentlichen Arbeit freigestellt und mussten im Betonwerk schuften.

Titelfoto: Montage: Norbert Neumann (2)

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