Dresden - Es gibt sie noch: Menschen, die unseren Müll brauchen! Egal, ob aus der Not heraus, um Geld zu verdienen oder aufgrund einer spontanen Idee. Erste Anlaufadresse für viele von ihnen sind Dresdens Wertstoffhöfe – genauer gesagt: die Straßen davor!
Die Bilder von Osteuropäern, die unsere (Sperr-)Müllhaufen nach verwertbarem Zeug durchsuchen, haben nachgelassen.
Aber sowohl samstags am Wertstoffhof Friedrichstadt als auch werktags vor dem in der Johannstadt sind diejenigen, die unseren Müll brauchen, noch da.
Petr K. (54) lehnt an seinem VW Passat in der Hertelstraße, winkt hier die Autos vor dem Wertstoffhof heraus, fragt nach Elektro, Gummi, Holz: "Ich habe das schon gemacht, als es die D-Mark noch gab", erzählt der Tscheche. Mittlerweile verdient er auch durch den Online-Handel, aber insgesamt weniger als noch vor dem Euro.
Die Stadt duldet diese "Kleinstunternehmer". Aber: "Aufwand und Ärgernis resultieren aus dem Abstellen von Abfällen vor dem Gelände des Wertstoffhofes", so eine Rathaussprecherin.
Platzverweise können auf Wertstoffhof ausgesprochen werden
Dabei gelte auf dem Gelände des Wertstoffhofes das Hausrecht, Platzverweise können ausgesprochen werden. Für den Bereich davor reichen die Befugnisse der Polizei nicht aus, "um vor Ort tätig zu werden", so die Sprecherin weiter.
Claus Schöning (32) und Margarita M. (27) wollten eigentlich ihren verschimmelten Teppich entsorgen, entdecken aber einen Gitarrenkoffer: "Der ist doch eins a!", sagt Musiker Schöning lachend, darf den Gegenstand letztlich aber nicht mitnehmen.
Der städtische Angestellte erklärt: "Wir betreiben hier ja keinen Handel, das würde sich herumsprechen und überhandnehmen."
40 Mitarbeiter achten auf den städtischen Wertstoffhöfen auf die korrekte Entsorgung. Im vergangenen Jahr 2023 wurden auf den städtischen Wertstoffhöfen an die 30.000 Tonnen Müll abgegeben.
Jäger & Sammler
Ein Kommentar von Jakob Anders
Ein voll beladener Passat-Kombi mit polnischem Kennzeichen, dessen Heck beinahe auf der Straße schleift. Auf dem Dach ein kleiner Kühlschrank und zwei Skistöcke: Das waren die 90er, als Osteuropäer unseren Müll durchsuchten und damit Geld verdienen konnten.
Mittlerweile hat sich die wirtschaftliche Lage zu unseren beiden Nachbarländern angeglichen. Was wir wegwerfen, werfen überwiegend auch die Tschechen und Polen weg. Dabei gilt es in unserer Wegwerfgesellschaft als völlig normal, dass als Müll erklärt wird, was weiterhin voll funktionsfähig ist.
Den Jägern, Sammlern und Armen die Container auf den Wertstoffhöfen zum Durchstöbern zu überlassen, würde dabei zu Chaos führen. Aber ich glaube, bisher ist im Rathaus noch niemand auf die Idee gekommen, einen Müllmarkt zu veranstalten.
Wenn die Polizei zum Beispiel Diebesgut sicherstellt oder etwas im Fundbüro liegen bleibt, werden die Sachen nach einer Zeit versteigert. Wieso versteigern wir nicht auch (für Cent-Beträge) unseren sogenannten Müll? Wieso gibt es nicht zumindest einen Tag des offenen Containers, bei dem Sachen ausgelegt werden, die bei dieser lustigen Versteigerung angeboten werden?
Auf die Frage, welche überraschenden Gegenstände oder wundersamen Objekte auf den Wertstoffhöfen gefunden worden seien, berichtete jedenfalls ein Angestellter der Dresdner Abfallwirtschaft von alten Ölgemälden, Möbeln und Haushaltsartikeln aus dem vorherigen Jahrhundert. Und sogar von einem Sarg, der zum Bett umfunktioniert worden war. Meiner Ansicht nach Grund genug, um unsere Abfallwirtschaft auf Nachhaltigkeit abzuklopfen.